Trotz Offenlegung: Die Vorstandsgehälter sind weiter gestiegen : Erinnerung an Wirtschaftswunder-Zeiten
Bei den 30 größten deutschen Unternehmen stiegen im Jahr 2005 die Gehälter um elf Prozent. Im Schnitt liegen die Vorstandschefs jetzt bei drei Millionen Euro, der einfache Vorstand bei knapp zwei Millionen jährlich. Und dabei sind Aktienoptionen gar nicht berücksichtigt, die viele bei einem guten Wirtschaftsverlauf noch zusätzlich erhalten.
Damit ist klar: Die mühsam von Kleinaktionären erkämpfte Offenlegung der Vorstandsgehälter hat keineswegs dazu geführt, dass diese weniger steil ansteigen. Vielmehr orientieren sich offensichtlich alle an den Summen der Spitzenreiter à la Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann oder Jürgen Schrempp selig von DaimlerChrysler. Es handelt sich in den oberen Etagen der DAX-Konzerne eben um aufstiegswillige Menschen.
Wundern muss man sich dabei über den Gleichmut der Arbeitnehmer. Denn ihre Löhne sind mit den guten Gewinnen der vergangenen Jahre keineswegs gestiegen. Dafür, dass die Arbeitsseite wenig durchsetzen kann, gibt es natürlich viele Gründe, von der neuen Konkurrenz in Osteuropa und Ostasien bis zur deutschen Schrumpfbevölkerung.
Doch eine derartig langjährige Entkopplung der Löhne für durchschnittliche Lohnempfänger von den Profiten hat es bisher kaum gegeben. Und dabei sitzen ihre eigenen Betriebsräte als Aufsichtsratsmitglieder in so mancher Personalkommission und genehmigen die Vorstandsgagen mit.
Vonseiten der Aktionäre hingegen geht die rasant steigende Entlohnung der Vorstände in Ordnung: Die Profite steigen, die Steuerzahlungen sinken im Land. Da haben die Unternehmen und ihre Verbände gute Arbeit geleistet.
Laut einer OECD-Studie, die letzte Woche erschien, liegt die deutsche Steuer- und Sozialabgabenquote inzwischen wieder so niedrig wie 1972. Zyniker könnten sagen, dass wir uns so auf dem Weg in die Zeiten des Wirtschaftswunders der 50er- und 60er-Jahre bewegen – mit 6-Tage-Woche und entsprechenden Löhnen. Ohne eine Beteiligung der arbeitenden Bevölkerung an der Wertschöpfung im Lande sind die Probleme allerdings nicht zu lösen. Das werden hoffentlich auch diejenigen Entscheider merken, die sich jetzt über ihre anschwellenden Konten freuen. REINER METZGER