Freispruch aufgehoben

NS-VERGLEICH Die Beleidigungs-Klage gegen einen Anwalt muss neu verhandelt werden. Sein Freispruch wurde fehlerhaft begründet, so das Oberlandesgericht

„Man hätte endlich Gelegenheit gehabt, sich mit Rassismus in der Justiz auseinanderzusetzen“

Der Prozess wegen eines Nazi-Vergleichs durch den Bremer Strafverteidiger Jan Sürig muss noch einmal geführt werden. Das Oberlandesgericht (OLG) gab gestern einem entsprechenden Revisionsantrag der Generalstaatsanwaltschaft statt.

Sürig hatte 2005 dem Amtsrichter Dieter Nordhausen vorgeworfen, die Auffassungen der Nürnberger Rassegesetze von 1934 zu teilen. Nordhausen sollte damals darüber entscheiden, ob ein afrikanischer Mandant Sürigs in Abschiebehaft bleiben müsse, der ein Kind mit einer deutschen Frau hat. Zwar ließ Nordhausen ihn am Ende frei – als einzigen von rund 300 Abschiebehaftfällen, die er in dem Jahr geprüft hatte. Doch zuvor sagte der Richter sinngemäß, dass der Afrikaner sich zuerst eine Aufenthaltsgenehmigung hätte besorgen müssen, bevor er ein Kind mit einer Deutschen zeuge. Das verglich Sürig dann mit den Nazi-Gesetzen gegen die „Rassenschande“.

Die Staatsanwaltschaft hatte Sürig daraufhin wegen Beleidigung Nordhausens angeklagt. Das Amtsgericht verurteilte ihn 2006 zu einer Geldstrafe von 3.000 Euro – das Landgericht sprach ihn jedoch drei Jahre später wieder frei. Zwar habe er den Richter „in erheblichem Maß diffamiert“ und beleidigende Schmähkritik geübt. Doch sei sein NS-Vergleich gleichwohl „gerechtfertigt“ gewesen, weil er „in Wahrnehmung der Interessen“ des Mandanten gefallen sei – so lautete die Begründung für den Freispruch.

Dieses Argument griff der OLG-Präsident und ehemalige Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Wolfgang Arenhövel, gestern an: Wenn es sich tatsächlich um „Schmähkritik“ handele, dann sei es ausgeschlossen, eine mildernde Klausel aus dem Strafgesetzbuch anzuwenden. Diese schränkt die Strafbarkeit von beleidigenden Äußerungen ein, wenn sie der „Wahrnehmung berechtigter Interessen“ – also in Sürigs Fall der Interessen seines Mandanten, dienen. Das Landgericht muss nun erneut gegen Sürig verhandeln, und soll klären, ob er tatsächlich „Schmähkritik“ geübt habe, oder ob sein Satz mit den Rassegesetzen sachlich begründet war – wie Sürig es sieht.

Er stützt sich dabei auf Untersuchungen, denen zufolge etwa ein Zehntel aller Deutschen – quer durch alle Schichten – ein „geschlossen rechtsextremes Weltbild“ hätten. Deshalb sei es theoretisch möglich, dass dies auch auf Richter wie Nordhausen zutreffe. Seinen Beweisantrag, von vier Soziologen untersuchen zu lassen, ob es unter der Bremer Richterschaft solche Gesinnung gibt, lehnte das OLG ab – im Revisionsverfahren gebe es keine neue Beweisaufnahme.

„Man hätte hier endlich einmal die Gelegenheit gehabt, sich mit dem Thema Rassismus in der Justiz auseinanderzusetzen“, sagte Sürig nach der Urteilsverkündung. „Aber man weicht dem aus.“ Er rechnet damit, dass das Verfahren frühestens 2011 wieder aufgerollt wird.

Christian Jakob