: Zweigleisig gegen Jerusalem
Schiiten rufen am Samstag wieder zu ihrem jährlichen Protest gegen Israel. Kritiker organisieren Gegendemo
Den Sonnabend – den letzten im Fastenmonat Ramadan – wollen Demonstranten in Berlin wieder zum „Al-Quds-Tag“ machen. Zu diesem Anlass fordern vor allem Schiiten alljährlich die „Befreiung“ Jerusalems, oft mit antiisraelischen Hassparolen. Bis gestern war neben dem traditionellen Marsch in Charlottenburg sogar eine zweite Demo in Kreuzberg angemeldet. Gegner des jährlichen Aufmarsches vermuteten darin eine Strategie der Veranstalter, um ungestört auf dem Ku’damm marschieren zu dürfen. Das war in den Vorjahren wegen der jüdischen Einrichtungen in der nahen Fasanenstraße nicht erlaubt worden.
Die Anmeldung für die Kreuzberger Demonstration wurde nach Angaben der Polizei mittlerweile aber von den Veranstaltern wieder zurückgenommen. Nun soll nur auf dem Ku’damm zwischen Adenauerplatz und Wittenbergplatz protestiert werden – unter dem Motto: „Gerechter Frieden für Palästina – sichere Zukunft für die Juden“.
Der jährliche Tag für al-Quds (arabisch für Jerusalem) geht auf den iranischen Revolutionsführer Ajatollah Chomeini zurück. Der hatte 1979 dazu aufgerufen, den letzten Freitag des Ramadan zum „Kampftag aller Muslime gegen Israel“ zu machen.
Claudia Dantschke vom Bündnis gegen den Al-Quds-Tag geht davon aus, dass die Kreuzberger Veranstaltung eine „sichere Route“ auf dem Kurfürstendamm freimachen sollte, wo nur der Aufmarsch mit dem harmloseren Motto angemeldet war. In den Vorjahren hatten die Demonstranten jeweils über die parallel zum Ku’damm verlaufende Kantstraße laufen müssen.
Bislang sei die Marschroute in Charlottenburg noch nicht verlegt worden, sagte ein Sprecher der Polizei, aber bis Samstag sei das nicht auszuschließen. Schließlich wolle man Zusammenstöße verfeindeter Parteien verhindern.
Das Bündnis gegen den Al-Quds-Tag, in dem auch die Amadeu-Antonio-Stiftung und die Deutsch-Israelische Gesellschaft vertreten sind, plant für Sonnabend eine Gegenkundgebung. Für sie steht das Ziel des Marsches fest: „Der Tag besitzt eine große Symbolik. Die Botschaft des Al-Quds-Tags ist die Vernichtung Israels“, sagt Dantschke.
Das wird bei den Al-Quds-Märschen in Teheran oder im Libanon offen von der Hisbollah gefordert. Für Berlin, wo in den Vorjahren auch immer wieder Parolen wie „Tod für Israel“ gerufen wurden, hat die Polizei jedoch strenge Auflagen verhängt: Solidaritätsbekundungen mit der Hisbollah etwa sind verboten, ebenso das Verbrennen von Flaggen. 2005 wurde die Berliner Demo von den Veranstaltern als Schweigemarsch definiert.
Der grüne Abgeordnete Özcan Mutlu, ebenfalls im Gegenbündnis, fürchtet, dass am Samstag mehr Menschen zum Al-Quds-Marsch kommen könnten als im Vorjahr. Damals hatten nur 500 Personen teilgenommen, nachdem antisemitische Äußerungen des iranischen Präsidenten im Vorfeld für große Empörung in der Öffentlichkeit gesorgt hatten. In diesem Jahr, glaubt Mutlu, könnte der Krieg zwischen Israel und der Hisbollah viele Muslime motivieren, auf die Straße zu gehen. Mutlu ist trotzdem gegen ein Verbot der jährlichen Märsche: „Das würde das Märtyrergefühl, von allen unterdrückt zu werden, nur bestärken.“
KERSTIN SPECKNER
Infos: www.gegen-al-quds-tag.de