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Archiv-Artikel

Versklavung und Tod

Null Chance für das Land am Hindukusch, weil eine opportunistische internationale Politik keinen Justizskandal sieht: Der Tod der afghanischen Lyrikerin Nadya Andjoman, die von ihrem Mann totgeschlagen wurde, bleibt ungesühnt

Der Tod der afghanischen Lyrikerin Nadya Andjoman, die zu Lebzeiten als Zukunftshoffnung und kommende „Ausnahmedichterin“ gefeiert wurde, droht ungesühnt zu bleiben. Nadya Andjoman wurde Ende 2005 in Herat von ihrem eigenen Ehemann zu Tode geprügelt (die taz berichtete). Nun wurde ihr Mann nach fünfmonatiger Untersuchungshaft freigelassen, er arbeitet wieder an der Universität. Obwohl der Fall Furore machte, obwohl sich auch der internationale Schriftstellerverband PEN einschaltete, droht er nun zu enden wie tausende anderer in Afghanistan. Gewaltverbrechen an Frauen bleiben vielerorts ungesühnt, die Täter können weiterhin unbehelligt herumlaufen.

Nachforschungen von Mitarbeiterinnen der in Afghanistan tätigen Frauenhilfsorganisation Medica Mondiale ergaben deutliche Hinweise auf Korruption innerhalb der – ohnehin sehr schwachen – afghanischen Justiz. So verschwand der ursprüngliche Autopsiebericht und wurde durch einen anderen ersetzt. Aus dem ersten Bericht ergab sich, dass die Dichterin bei ihrer Einlieferung ins Krankenhaus bereits tot war. Im zweiten Bericht aber ist die Rede von einem „Herzinfarkt“ während ihres Klinikaufenthalts. Die Mitarbeiterin von Medica Mondiale besuchte auch die Eltern von Nadya Andjoman und erfuhr dort, dass diese von politischer und geistlicher Seite unter Druck gesetzt worden waren, ihrem Schwiegersohn zu vergeben. Die Justiz, so versprach man den Eltern, werde den Mann hinter Gitter bringen. Dort war er auch – kurzzeitig.

Nadya Andjoman wurde nur 25 Jahre alt. Geboren 1980 in Herat, hatte sie schon als junges Mädchen Gedichte geschrieben. Später, an der Universität von Herat, studierte sie Literatur und veröffentlichte zwei Lyrikbände. Doch nach ihrer Hochzeit mit einem Mitarbeiter der Literaturfakultät war ihr Leben so gut wie zu Ende. Offenbar verbot ihr Mann ihr öffentliche Lesungen und Auftritte, und sie lebte laut BBC „wie eine Hausfrau im Hausarrest“. Im November 2005 wurde sie tot aufgefunden: Ihr Körper zeigte schwere Verletzungen, die von Schlägen herrührten. „Mädchen, schmerzgewöhnt, zerschundene Körper“, heißt es in einem ihrer Gedichte, „erreicht ihr Schrei ohne Laut die Wolken bis ins All?“

Ihr Tod ist auch ein Präzedenzfall, denn die Straffreiheit für den Täter ist eine Aufforderung an andere, weiterzuschlagen. Eine von Medica Mondiale bestellte Anwältin wird deshalb versuchen, den Fall erneut vor Gericht zu bringen. UTE SCHEUB