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Archiv-Artikel

Berlinale des Funks

Der Prix Europa ist ein Geheimtipp: ein Festival der Radio- und Fernsehmacher – hochkarätig und umsonst

Die Tarnung ist nahezu perfekt: Auch im zwanzigsten Jahr des Prix Europa wissen nur Insider, dass sich hinter diesem Namen nicht etwa ein Schlagerfestival verbirgt, sondern der wichtigste Wettbewerb für Fernseh- und Radioproduktionen in ganz Europa. Eine Woche lang werden im altehrwürdigen „Haus des Rundfunks“ knapp 250 Fernsehspiele, Dokus, Radiofeatures und Hörspiele aus 35 Ländern präsentiert. Jeder, der will, kann an dieser „Berlinale des Rundfunks“ teilnehmen – ohne für Karten anzustehen, denn der Eintritt ist frei.

Bislang ist der Wettbewerb ein echter Geheimtipp: Wohl auf keinem anderen Festival hat man offenen Zugang zu so vielen Vorführungen, nirgendwo kann man so einfach mit den Autoren, Regisseuren und Produzenten in Kontakt treten wie hier. Hat man eine Vorführung verpasst, stehen hochmoderne Audio- und TV-Geräte zur Verfügung, auf denen man alle Beiträge anhören und anschauen kann.

„Der Prix Europa ist in erster Linie ein Festival der Macher“, sagt Peter Leonhard Braun, Pionier des deutschen Radiofeatures: „Uns ist eine gute Arbeitsatmosphäre wichtiger als der große Rummel.“ Unter den Machern sind zum Beispiel die Mitarbeiter der „Foundation for Independent Radio“, einer BBC-nahen NGO, die seit fünfzehn Jahren daran arbeitet, in Russland eine unabhängige Radiolandschaft zu etablieren. Sie stellen eine Sendung vor, die Insassen eines Gefängnisses in Chelyabinsk produziert haben.

Bei dem Treffen kann man auch der Jury bei der Urteilsfindung über die Schulter sehen. Denn ein Herzstück des Festivals sind die Diskussionsrunden über die aufgeführten Beiträge. Das Prinzip der „gläsernen Jury“ soll verhindern, dass Küngelei die Auswahl der Preisträger beeinflusst. Das ist wichtig bei einem Wettbewerb, bei dem sich die meisten Beteiligten schon seit Jahren kennen.

„Für mich sind diese Diskussionsrunden sehr wichtig“, sagt Jens Jarisch, der mit einem Feature über den Strich an der Berliner Kurfürstenstraße im letzten Jahr den ersten Preis in der Sparte Radio Documentary gewann. „Hier bekomme ich Feedback und Anregungen von Kollegen.“ In der Tat ist der Prix Europa für all jene, die im öffentlich-rechtlichen Qualitätsrundfunk arbeiten, eine wichtige Bestätigung für die eigene Arbeit. Der diesjährige Prix Europa läuft noch bis Freitag im Haus des Rundfunks in der Masurenallee 8–14. Die Preisträger werden am Samstagabend bekannt gegeben.

Noel Rademacher