: Renaissance des Radios
Was MP3-Spieler für digitale Musik, das sind neue „Radios“ für die Welt der Internetsender: der Durchbruch
Als Junge an einem Mittelwellenradio die Welt entdecken – den Knopf ganz langsam drehen, bis Hilversum, Luxemburg, Budapest, Athlone. Da! Ray Charles! Und jetzt kommt der Killer, Jerry Lee Lewis: „Great Balls Of Fire“.
Niemals wurde kindlicher Radiotraum von der großen weiten Welt schöner besungen als von Van Morrison mit „In The Days Before Rock ’n’ Roll“ – der furnierte Holzkasten mit dem magischen Auge inmitten des elterlichen Wohnzimmers war die Verbindung zum Kosmos. Jungs drehten fasziniert an den wireless knobs – und schon kam diese tolle Musik ins Haus, die von ganz anderswo kam und so ganz anders war. Ohne den Knopf gab es keinen Elvis, keinen Lightning und auch keinen John Lee.
Mit der Verbreitung des Fernsehens verlor das Radio an Bedeutung, und in den letzten Jahren ist es beinahe vollends zum Werbeträger verkommen. Ein paar Songs werden von fast allen Sendern in einheitlicher Endlosschleife gespielt, das war’s. Das Medium ist weitgehend uninteressant geworden.
Nun aber sind auf der Funkausstellung – wegen der Flachbildhysterie beinahe unbemerkt – ein paar neuartige Radiogeräte aufgetaucht, die Hörfunk wieder zu einem extrem spannenden Medium machen. Das Noxon iRadio zum Beispiel. Es sieht aus wie ein Retro-Radio aus dem Drogeriemarkt, aber das ist es ganz sicher nicht.
Die Antenne auf der Rückseite kann noch nicht mal UKW empfangen – stattdessen baut sie auf Anhieb eine Verbindung zum WLan-Router oder zur Wireless-Steckkarte im PC auf; und was dann empfangen werden kann, ist tausendmal besser als UKW.
Für den Empfang von Internetradio war bislang stets ein PC mit Soundkarte erforderlich. Doch nun können die gleichen Programme auch in der Küche oder im Schlafzimmer empfangen werden. Wenn die drahtlose Verbindung über einen DSL-Router hergestellt wird, kann der Rechner ausgeschaltet bleiben.
Mehr als 1.600 Sender stehen plötzlich zur Verfügung, davon allein 200 aus Deutschland. Und alle in guter bis hervorragender Qualität. Den neuesten Bachata vom Latino-Sender Batanga auf 21 Kanälen rund um die Uhr? Es gibt Bombay-Beats, Hiphop- und reine Partysender und das gesprochene Wort in allen Sprachen, von der „Air Traffic Control“ in Zürich bis zu den Aktienkurse aus Tokio, sehr meditativ.
Gerontologisch ausgerichtete GEZ-Anstalten sind auch dabei, senden aber nur in übelster Qualität. Was sie nicht davon abhält, dafür auch noch Gebühren zu verlangen. Dieter Grönling