LESERINNENBRIEFE
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„Danke, Marga Henseler!“

■ betr.: „Danke, Joschka Fischer“, „Vornehm und kompromisslos“, taz vom 25. + 26. 10. 10

„Danke, Marga Henseler!“ hätte ich mir gewünscht als große Überschrift, ein Foto oder ein Interview mit dieser Frau, die mit ihrer hausinternen Beschwerde als pensionierte Mitarbeiterin des Auswärtigen Amtes alles ins Rollen brachte. Stattdessen stereotype, unerträgliche Hitler-Fotos neben dem gut recherchierten Artikel von Andreas Fanizadeh.

Mein Tipp: Bei Deutschlandradio Kultur findet man unter dem Stichwort Marga Henseler beeindruckende Interviews vom 27. 10. mit ihr. MARIANNE LINK, Heidelberg

Wollen wir das?

■ betr.: „Der weite Weg zum Kind“, taz vom 25. 10. 10

Heike Haarhoff plädiert für die Zulassung eines „Gencheck“ von Embryonen im Reagenzglas (Präimplantationsdiagnostik) mit zwei Begründungen: Es gehe dabei lediglich um den Ausschluss einer Erbkrankheit und um die Auskunft, welcher Embryo „lebensfähig“ sei, mithin um die Verhinderung von Totgeburten. Und weil die genetische Untersuchung eines Embryos im Mutterleib zulässig sei, könne das bei einem drei Tage alten Embryo im Reagenzglas nicht anders sein. Beide Argumente gehen nicht zusammen, und das erst genannte ist sachlich falsch.

Ein nicht (über-)lebensfähiger Embryo hat in der Regel keine ererbte Krankheit, sondern eine Chromosomenstörung, die „einfach so“ entsteht (für die das Risiko aber mit dem Alter der Mutter zunimmt). Wenn alle derartigen Störungen – zu den Chromosomenveränderungen gehört beispielsweise das Down-Syndrom (Trisomie 21) – über PID ausgesondert werden sollen, bedeutet das den Übergang von der natürlichen Zeugung zu der (mit invasiven Maßnahmen für die Frau verbundenen) Zeugung im Reagenzglas für alle älteren oder ängstlichen Paare und die entsprechende Aussonderung von behindertem Leben. Wollen wir das? Und wenn es „nur“ um Erbkrankheiten gehen soll: Wie gehen wir dann mit den lebendigen behinderten Menschen um, die etwa von Mukoviszidose (einer Stoffwechselkrankheit) oder Gehörlosigkeit betroffen sind, wo „man das doch hätte verhindern können“? Die Untersuchung des Embryo im Mutterleib auf die Wahrscheinlichkeit von Behinderungen ist gewiss nicht unproblematisch. Aber die Ausweitung der Zeugung im Reagenzglas von einer Therapie für Unfruchtbarkeit auf eine „präventive“ Maßnahme zur Aussonderung von Embryonen mit ererbten oder gar naturwüchsig entstehenden Behinderungen (bzw. den Wahrscheinlichkeiten dafür) ist eine gesellschaftliche Umwälzung, deren Tragweite von den BefürworterInnen der PID gezielt heruntergespielt wird. Es ist Zeit für eine breite gesellschaftliche Debatte! BIGGI BENDER, MdB,

Gesundheitspolitische Sprecherin B’90/Die Grünen

Komplexe Vorgänge vereinfacht

■ betr.: Integrationsdebatte

Die Bundesregierung will gegen unbelehrbare Ausländer vorgehen, die Sprachkurse ablehnen und ihnen das ALG II kürzen. Ein Entzug der Aufenthaltserlaubnis wird nicht ausgeschlossen.

Es ist seit vielen Jahren Gesetz, dass Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn die deutsche Sprache so weit beherrscht wird, dass einfache Texte zu Alltagssituationen erstellt, verstanden, gesprochen und gelesen werden können. Um eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen, müssen Ausländer den Sprachkurs A 2 bestehen. Nach Auskunft der Volkshochschulen sind Kursabbrecher die absolute Ausnahme, Integrationskurse haben im Gegenteil lange Wartelisten. Für geduldete Ausländer verweitert das Bundesamt die Kostenübernahme der Kurse völlig. Aus eigenen Mitteln können Geduldete die Kurse nicht bezahlen, da sie nicht arbeiten dürfen und für den Lebensunterhalt Gutscheine erhalten. Hier verweigert das Bundesamt Ausländern die Integration, Ausländer verweigern hier nicht.

Noch eindeutiger sind die Falschinformationen zum exzessiven Sozialhilfebezug. Ausländer mit einer Aufenthaltserlaubnis müssen ihren Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit eigenständig bestreiten, ein Anspruch auf Sozialleistungen nach dem ALG II darf nicht bestehen, ein Bezug von ALG II ist auch für Ausländer mit einer Aufenthaltserlaubnis nicht möglich.

Die Bundesregierung verkauft also nicht nur geltendes Recht als neue Handlungsperspektive, mit der Bedienung von Stammtischen werden hier leider komplexe Vorgänge plakativ vereinfacht, wird miteinander vermischt, was nicht zusammengehört, wird der Eindruck erweckt, als seien Zuwanderer mehrheitlich Straftäter, Integrationsverweigerer, in jedem Fall aber Sozialbetrüger. Ein positives Zeichen kam aber dennoch aus Berlin: Ausländerinnen, deren Aufenthalt durch Zwangsheirat beendet wurde, verlieren ihre Aufenthaltserlaubnis nicht und dürfen zehn Jahre lang nach Deutschland zurückkehren. JOACHIM RÜDIG, Ganderkesee

Grüne Jugend braucht Haare

■ betr.: „Bei uns gab’s nie Cola“, sonntaz vom 30. 10. 10

welcher teufel hat denn matthias lohre und luise strothmann geritten? wieso beginnen sie ein interview mit der frage „wie lange brauchen sie … für ihre haare?“ der vorspann des interviews hebt auch prominent darauf ab: „gesine agena hat nicht nur die haare schön“. sind äußerlichkeiten so wichtig geworden in der taz? wäre die frage an einen mann auch so gestellt worden? ich finde diesen stil ziemlich dämlich und niveaulos. abgesehen davon freue ich mich jeden morgen auf die taz! MICHAEL GROSS, München