„Das wird schmerzhaft“

Nach dem Urteil des Verfassungsgerichtes zum Thema „Haushaltsnotlage“ müssen die bremischen Sparanstrengungen schärfer werden, sagt Bremens Finanzsenator Ulrich Nußbaum

Taz: Überrascht Sie das Urteil?

Ulrich Nußbaum, Finanzsenator: Ich habe meine Flasche Rotwein gewonnen, das Urteil ist so ausgefallen, wie ich es vorausgesagt habe. Mit einer Einschränkung: Ich habe gesagt, vielleicht bekommt Berlin ein paar Milliarden über die Hauptstadtklausel.

Was bedeutet das für Bremen?

Das Gericht hat seine alte Rechtsprechung aus dem Bremen-Urteil von 1992 bestätigt, es gibt die Ansprüche auf Sanierungshilfe in einer „Haushaltsnotlage“. Das Gericht hat nur die Anforderungen verschärft und darauf hingewiesen, dass diese Ansprüche nur die „ultima ratio“ sein könnten. Es hat damit all denen eine Absage erteilt, die davon geredet haben, Sanierungshilfen könnte es nur mit einem Staatskommissar geben. Das Wort Länderneugliederung kommt in dem Urteil nicht vor, das Thema hat das Gericht nicht aufgegriffen.

Aber die Verschärfung der eigenen Sparanstrengungen wurde deutlich gefordert.

Das ist für einige in Bremen vielleicht neu, nicht aber für den Finanzsenator. Ohne verschärfte Eigenanstrengungen und den Nachweis, dass alle Möglichkeiten auf der Einnahmen- und Ausgabenseite ausgeschöpft sind, gibt es keine Ansprüche auf fremde Hilfe. Das kann nur den überraschen, der bislang geträumt hat.

Das Gericht rechnet vor, dass in Berlin gar keine Haushaltsnotlage bestehe.

Genau. Die bremischen Kennziffern für die Haushaltsnotlage sind deutlich schlechter, das hat das Gericht ausdrücklich erklärt. Neu ist, dass das Gericht gesagt hat, die reinen Kennziffern reichen nicht aus.

Also muss Bremen sofort Studiengebühren für alle einführen, die Gewoba-Anteile verkaufen und was noch?

Da kommen schmerzhafte politische Entscheidungen auf uns zu, wenn wir die Klage erfolgreich durchsetzen wollen. Aber das Gericht hat auch gesagt, dass die Verkaufserlöse der Wohnungsbaugesellschaften in Berlin höher ausfallen würden als die Haushaltsbelastungen, die mit dem Verkauf verbunden wären. Mit den Augen des Gerichts müssen wir das Thema Gewoba angucken oder auch andere Vermögenswerte, Lagerhaus etwa.

Wo gibt es in Bremen denn noch große Sparpotentiale?

Berlin liegt im Ausgabenvolumen 30 Prozent über dem von Hamburg, Bremen bei den laufenden konsumtiven Ausgaben jedenfalls nicht. Wir haben vor Monaten schon in der Koalition dafür gestritten, dass wir Hamburg auch beim Investitionsniveau zum Vergleichsmaßstab machen. Die CDU hatte das damals noch abgelehnt.

Sie hoffen, dass die Bremer Klage nicht abgelehnt wird?

Wenn wir unsere Schulaufgaben machen, wenn wir die Signale auf verschärfte Kriterien ernst nehmen, die das Gericht aufgezeigt hat – ja.

Das Gericht hat auf die Verhandlungen um die Föderalismusreform II verwiesen – aber die anderen Ministerpräsidenten interpretieren das Urteil als Sieg und wollen da nicht ran ...

Das ist ja das Grunddilemma. Mit Ausnahme von Frau Merkel und vielleicht zwei, drei anderen geht keiner die Föderalismusreform Stufe II ernsthaft an. Das Gericht findet aber, dass dies der geeignete Rahmen sei, um das Problem der unzureichenden Finanzausstattung für die Stadtstaaten zu lösen. Wenn die anderen Länder sich verweigern, müsste man überlegen, ob man das nicht dann vor dem Verfassungsgericht vorträgt.

Interview: Klaus Wolschner