: Alles wird größer
JAZZMESSE Trotz Krise und Nischendasein: Die Bremer „Jazzahead“ wächst und wächst. Und richtet sich dabei längst nicht mehr nur an die Spezialisten-Szene. Erstmals gibt es ein großes Kulturfestival, Partnerland ist Dänemark
Ausgerechnet Jazz. Die Musikindustrie ist – immer noch – in der Krise, Jazz ohnehin eine Nischenmusik, zudem eine, die nach Ansicht mancher Leute schon etwas komisch riecht. Aber Europas größte Jazz-Messe wächst und wächst und wächst. Zum neunten Mal findet in der kommenden Woche in Bremen die „Jazzahead“ statt, dieses Jahr erstmals mit einem bereits seit Mitte März und noch bis Ende Mai laufenden Kulturfestival, auf dem sich als erstes Partnerland Dänemark präsentiert.
Und auch sonst wird alles immer größer bei der Jazzahead: Über 100 Konzerte sind für nächste Woche angekündigt, das Spektrum reicht von freier Improvisation über klassischen Bigband-Jazz bis zur haitianisch inspirierten Musik von Jacques Schwarz-Bart, zu dessen Band eine geweihte Voodoo-Priesterin gehört.
Zunehmend bewerben sich Künstler aus aller Welt um einen Auftritt im Rahmen der Messe. Und scheuen dabei offenbar weder Kosten noch Mühen: Christine Jensen und ihr 19-köpfiges Jazz Orchestra reisen eigens aus Kanada an – die in diesem Fall beträchtlichen Reisekosten müssen die Künstler selbst aufbringen. Das spricht für die Strahlkraft der Jazzahead, die sich fraglos zum Erfolgsmodell entwickelt hat. Nach jahrelanger Aufbauarbeit trägt sich das Unterfangen heute selbst, Übernahmeversuche aus einschlägigen Metropolen konnten erfolgreich abgewehrt werden: Bremen bleibt im Frühjahr Europas Jazz-Hauptstadt.
Davon soll aber nicht nur die Jazz-Szene etwas haben. Immer weiter dringt das Programm in die Stadt vor, vor allem die „Club Night“, die jedes Jahr am Samstagabend an zahlreichen Orten in der Stadt mit Konzerten lockt, ist Ausdruck dieser Philosophie. 27 Veranstaltungsorte sind dieses Jahr dabei, verbunden nicht nur mit dem öffentlichen Nahverkehr, sondern auch mit einem eigens eingerichteten kostenlosen Shuttle-Service, dessen Fahrzeuge die Club-Night-Gäste auf der Straße heranwinken können.
Dazugekommen sind dieses Jahr ein Fähr-Shuttle, das die Spielstätten an der Weser miteinander verbindet, und ein Angebot des ADFC, der nach musikalisch-geografischen Gesichtspunkten drei Touren zusammengestellt hat – womit vielleicht auch umweltbewusste Jazz-Fans einigermaßen mit Christine Jensens CO2-Bilanz versöhnt werden könnten.
Bevor es am Donnerstag so richtig rund geht, gibt es im City 46 am Mittwochabend zweimal den Film „Marilyn Mazur: Queen Of Percussion“ zu sehen, die Musikerin ist selbst anwesend und wird zwischen den Vorführungen eine Kostprobe ihres Könnens geben. Eines dieser vielen Schmankerln, für die man sich bei der Jazzahead immer gern Zeit nimmt. Schließlich geht es beim Jazz, wohl mehr noch als bei jeder anderen Musik, um Kommunikation.
ANDREAS SCHNELL
■ Do, 24. 4. bis So, 27. 4., div. Orte, Infos und Programm: jazzahead.de
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