: Frauen und Kinder zuerst!
Eine neue Studie belegt: Die Mehrheit der Mütter in den USA ist mittlerweile berufstätig, verbringt aber mehr Zeit mit dem Nachwuchs als noch 1965. Woran sie sparen: Kochen, Bügeln, Putzen
von HEIDE OESTREICH
Wohin es führt, wenn Mütter anfangen, ernsthaft außer Haus zu arbeiten, wissen die Deutschen ja sehr genau. Es schadet den Kindern. Ob’s stimmt, wird gerade wieder heftigst debattiert: Hier tremoliert der Hausfrauensohn im Duett mit Eva Herman, wie wichtig es war, dass Mama stets in Rufnähe putzte. Dort erklärt die Tochter einer Berufstätigen, wie sie früher die Kinder bemitleidete, die als Mutter „nur eine Hausfrau“ hatten – und nichts zum Angeben.
Ja, es ist besonders ein deutsches Phänomen – wir liegen bei den Arbeitsstunden, die Mütter im Beruf verbringen, im internationalen Vergleich ziemlich weit hinten. Aber auch in Ländern wie den USA, wo Mütter mehr arbeiten, bringen Eltern ihre Kinder nicht einfach in die „Daycare“, um dann beruflich loszulegen. Die Soziologin Suzanne Bianchi von der Uni Maryland hat tausende von persönlichen Zeitprotokollen aus dem Jahr 2000 ausgewertet und mit denen von 1965 verglichen – und sie hat dabei keine „Rabenmütter“ entdecken können.
In diesen 35 Jahren änderte sich das Leben amerikanischer Mütter stark: Hatten 1965 noch 60 Prozent aller Kinder Hausfrauen als Mütter, so waren es 2000 nur noch 30 Prozent. Die Mehrheit der Mütter arbeitete also nicht mehr ausschließlich zu Hause, sondern auch im Job.
Arme Kinder? Nein. Erstaunlicherweise verbrachten die Mütter im Jahr 2000 mehr Zeit mit ihren Kindern als 1965, nämlich 12,9 Stunden pro Woche statt 10,6. Zeit sparen sie vor allem da, wo Clementine und Meister Proper bislang die Standards setzen: bei der Hausarbeit. 34,5 Stunden verbrachte eine Mutter 1965 mit Kochen, Bügeln und Putzen, im Jahr 2000 waren es nur noch 19. Wohin ist die Hausarbeit verschwunden? Einen Teil erledigt der Vater: Seine Arbeit im Haushalt wuchs von 4,4 Wochenstunden auf 9,7. Und der Rest? Der Rest bleibt einfach liegen. „Ich koche weniger“, sagte eine der Mütter schlicht. Eine andere meinte: „Wir brauchen kein fleckenlos sauberes Haus, bei uns herrscht oft ein Chaos aus Schulsachen, Rucksäcken und Spielzeug, aber das ist okay.“
Eltern, die mehr Zeit im Beruf verbringen, werden offenkundig nicht automatisch Rabeneltern. Aber sie laufen Gefahr, überforderte Supereltern zu werden. Zwar ist die Supermom von heute nicht mehr die, die morgens vor dem Aufstehen schon geputzt hat, beim Frühstück die Kartoffeln fürs Mittagessen schält und abends zwischen greinenden Kindern und laufendem Staubsauger aufs Sofa sinkt. Das Essen kommt aus der Tiefkühltruhe, geputzt wird später, und den Staubsauger bedient auch mal der Papa. Aber es ist die Lehrerin, die am Rand des Fußballplatzes, auf dem ihr Sohn tobt, die Klassenarbeiten korrigiert. Und die Angestellte, die in der Mittagspause den Wochenendeinkauf erledigt. Diese Mütter arbeiten heute in und außer Haus 20 Stunden pro Woche mehr als ihre Kollegin Hausfrau. Sie schlafen weniger, sie schauen weniger fern, und sie verbringen weniger Zeit mit ihrem Mann.
Und das alles für das Wohl der Kinder. Eltern hätten weniger Nachwuchs, empfänden aber umso stärker „den Druck, ein perfektes Kind zu erziehen“, erklärt Studienleiterin Bianchi. So gesehen hat sich der Rabenmutter-Diskurs auch in den fortschrittlichen USA nicht verflüchtigt: Er hat sich nur verflüssigt und fährt nun immer mit, im Familienvan auf dem Weg vom Büro zur Tanzstunde der Tochter.