: Armut im Bundestag
Für die CDU ist die DDR-Misswirtschaft Schuld, für die Linke die herrschende Klasse. Für die FDP sind es alle anderen Parteien
BERLIN taz ■ In einer Aktuellen Stunde im Bundestag nutzten alle Parteien die Armutsdebatte noch einmal ausführlich, um sich gegenseitig die Schuld an der Misere in die Schuhe zu schieben.
So haben nach Meinung der Linksfraktion, die zusammen mit den Grünen die Aktuelle Stunde beantragt hatte, „Wirtschaft und herrschende politische Klasse die soziale Ausgrenzung gefördert“. Der Druck auf Arbeitslose werde ständig erhöht, kritisierte die stellvertretende Vorsitzende Katja Kipping. Ihr Parteikollege Gregor Gysi warf der rot-grünen Vorgängerregierung vor, sie habe durch Steuergeschenke den Reichtum gefördert. Gleichzeitig seien die Einkommen in Deutschland gesunken. Gysi warnte, die wachsende Zahl der Armen könne zu einem Problem für die Demokratie werden. Viele Menschen gingen entweder gar nicht mehr wählen oder wählten rechtsextrem.
Für den sozialpolitischen Sprecher der Unionsfraktion, Ralf Brauksiepe, ist die Misswirtschaft der DDR Schuld an der neuen Armut, die „weniger finanzielle Armut als Mangel an kulturellem Antrieb“ sei. Zu den linken Reihen im Bundestag äzte er hin, sie hätten doch „vierzig Jahre lang die Probleme herbeigeführt, die wir heute haben“.
Die Grünen verteidigten sich gegen den Vorwurf von links, Hartz IV habe die Armutssituation verschärft, und von rechts, unter Rot-Grün sei die Zahl der Armen gestiegen. Grünen-Chef Fritz Kuhn sagte, mit Hartz IV sei die verdeckte Armut reduziert worden. Immerhin. Seit der Machtübernahme durch die große Koalition werde aber nur noch gefordert, nicht mehr gefördert.
Während die CDU die Schuld in der schlechten Wirtschaftspolitik unter Rot-Grün sucht, liegt sie für die SPD naturgemäß „in den 80er-Jahren“. Damals, unter CDU-Kanzler Helmut Kohl, hätte man durch eine bessere Bildungspolitik schon der Entwicklung entgegenwirken müssen, dass viele Menschen nicht mal einen Schulabschluss machen und heute einen großen Teil der Langzeitarbeitslosen ausmachen.
Für die FDP sind alle anderen Schuld an der Misere. Die Gesamtausgaben im sozialen Sektor von 696 Milliarden Euro müsse man besser einsetzen als „mit der Gießkanne“, so der Generalsekretär Dirk Niebel. Aus dem sozialen Netz müsse endlich ein soziales Sprungbrett werden. Im Übrigen kenne das liberale Weltbild keine Klassen. „Wir sind eine liberale Bürgergesellschaft mit Starken und Schwachen.“ Gysi daraufhin: „Fragen Sie doch mal einen Arbeitslosen und Herrn Ackermann, ob sie glauben, dass sie zur selben Schicht gehören.“
KATHARINA KOUFEN