Zwischen Mafia und Mediaset

Silvio Berlusconi muss demnächst ein Jahr lang zum Sozialdienst bei behinderten alten Menschen antreten – und doch dürfte Marcello Dell’Utri (Foto) seinen jahrzehntelangen Chef ein wenig beneiden. Ihm selbst drohen sieben Jahre Haft, in einem echten Knast.

Angefangen hatte der Mann aus Palermo als Sparkassenangestellter; vor 40 Jahren aber erfolgte der Karrieresprung. Der heute 72-Jährige lernte Berlusconi kennen – und wich ihm nicht mehr von der Seite, war erst Privatsekretär des damaligen Bauunternehmers, half ihm beim Aufbau des Medienimperiums, stampfte schließlich 1993–94 binnen weniger Monate die Partei Forza Italia aus dem Boden.

Für Silvio war Marcello unentbehrlich, nach Meinung des Gerichts in Palermo auch, weil er zugleich anderen „Geschäftsleuten“ zur Hand ging: Im Prozess gegen Dell’Utri berichteten Dutzende Kronzeugen, wie innig seine Kontakte zu den obersten Cosa-Nostra-Bossen waren. Und der smarte Sizilianer, der sich als treuer Katholik und gebildeter Bücherwurm inszeniert, schaffte es offenbar immer wieder, Berlusconi und die Bosse geschäftlich zusammenzubringen. Sein Meisterstück: Im Jahr 1974 vermittelte er das Mafia-Schwergewicht Vittorio Mangano an Berlusconi, angeblich als „Stallknecht“ für dessen Villa.

Das jahrzehntelange Wirken zwischen Mailand und Palermo, zwischen Mafia und Mediaset brachte ihm nun die hohe Haftstrafe ein, in den nächsten Tagen soll entschieden werden, ob dieses Urteil rechtskräftig wird. Dell’Utri setzte sich vorsichtshalber in den Libanon ab; in einem abgehörten Gespräch sagte sein Zwillingsbruder, Marcello wolle dort eine Fußballschule für Kinder gründen. Damit hat er Erfahrung: Im Fußballclub in Palermo schloss er als junger Mann seine ersten Mafia-Freundschaften. MICHAEL BRAUN