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Archiv-Artikel

Daumen hoch für Finanzsteuer

REGULIERUNG Auf dem G-20-Gipfel wird auch eine weltweite Steuer auf Finanzgeschäfte Thema sein. Doch die EU könnte vorangehen, haben Experten für die Grünen berechnet

Bis zu 292 Milliarden Euro könnten die EU-Staaten mit dieser Steuer einnehmen

VON TARIK AHMIA

BERLIN taz | Sie steht mal wieder auf der Tagesordnung, die sich die 20 reichsten Länder der Erde für ihren am heutigen Donnerstag beginnenden Gipfel gegeben haben: eine Finanztransaktionssteuer (FTS), die beim Kauf und Verkauf von Finanzprodukten erhoben werden soll. Dass sie verabschiedet wird, ist unwahrscheinlich, weswegen schon in der EU über einen Alleingang diskutiert wurde – bislang mit negativem Ergebnis. Dabei haben Ökonomen vorgerechnet, dass diese Steuer selbst bei einem niedrigen Satz von 0,1 Prozent dreistellige Milliardensummen in die Kassen der EU-Länder spülen würde und so Banken, Versicherungen und Spekulanten für die Kosten der Finanzkrise zur Kasse gebeten würden.

Immer wieder betonen Gegner der FTS, die Steuer sei nicht umsetzbar, weil zu viele Schlupflöcher existierten. Finanzunternehmen würde diese nutzen und ihre Geschäfte in Länder ohne FTS verlagern. Zuletzt erklärte EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta, die Transaktionssteuer könne nicht einmal innerhalb Europas eingeführt werden, ohne den teilnehmenden Ländern im globalen Wettbewerb wirtschaftlich zu schaden.

Ein ökonomisches Gutachten der Grünen im EU-Parlament zeigt nun einen Weg, wie sich das angeblich Unmögliche doch erreichen lassen könnte. In dem Dokument beschreiben Finanzmarktexperten, welche konkreten Bedingungen erfüllt sein müssen, damit die FTS innerhalb der EU funktioniert, ohne dass es zu Wettbewerbsverzerrungen kommt. Zudem werde die FTS so gestaltet, dass sie weltweit nicht zu umgehen sei. Bis zu 292 Milliarden Euro könnten die EU-Staaten mit dieser Steuer zusätzlich einnehmen, rechnen sie vor.

Kernidee des grünen Konzeptes ist es, die FTS auf den Handel mit europäischen Finanzprodukten zu beschränken, deren Abrechnung zwingend an die Handelssysteme der europäischen Börsen und Banken gebunden ist. Dazu gehören europäische Aktien und Anleihen, Derivate auf Währungen, Aktien und Kredite aus Europa sowie Devisengeschäfte mit den Währungen der EU-27. Sie machen etwa 93 Prozent aller Finanztransaktionen in der EU aus. Bei diesen Geschäften spielt die Herkunft der Käufer und Verkäufer keine Rolle. Auf Grundlage der Abrechnungsdaten könnte die FTS hier kostengünstig erfasst werden.

Allerdings werde es auch in Zukunft Produkte geben, bei denen sich die FTS umgehen lasse, schreiben die Gutachter. Rohstoffderivate seien dafür ein Beispiel. Weil sie weltweit gehandelt werden, könne die FTS hier nicht durchgesetzt werden, da solche Geschäfte sonst in Länder ohne FTS verlagert würden.

„Unser Konzept zielt darauf ab, die Transaktionssteuer in allen 27 EU-Mitgliedsstaaten einzuführen“, sagt Sven Giegold, EU-Parlamentarier der Grünen in Brüssel. Damit innerhalb Europas keine Schlupflöcher entstehen, müsste etwa auch Großbritannien zustimmen. Das Land zählt neben Schweden und den Niederlanden zu den wenigen EU-Mitgliedsländern, die die FTS bislang noch ablehnen. Giegold ist jedoch optimistisch, dass Großbritannien mittelfristig seinen Widerstand zugunsten neuer Milliardeneinnahmen aufgibt: „Das Land ist so pleite und wird durch seine Austeritätspolitik noch enorme wirtschaftliche Probleme bekommen“, sagte er.

Konkrete Konzepte für eine FTS gibt es bislang weder von der EU noch der Bundesbank oder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD). Nun soll der Europäische Rat erstmals im Dezember 2010 sein praktisches Konzept für die FTS vorstellen. Der neuerliche Widerstand der EU-Kommission ist dann wahrscheinlich.