: Lehrer in Oaxaca beenden ihren Streik
Nach fünf Monaten Arbeitskampf in dem mexikanischen Bundesstaat gehen nehmen die Pädagogen heute den Unterricht wieder auf. Doch in der Bewegung stößt dies auf Widerspruch, weil der umstrittene Gouverneur weiter im Amt ist
AUS MEXIKO-STADT WOLF-DIETER VOGEL
Am frühen Sonntagmorgen hat eine Mehrheit der Lehrer im mexikanischen Bundesstaat Oaxaca beschlossen, nach einem fünfmonatigem Arbeitsausstand wieder in die Schulen zurückzukehren. Dennoch bleibt unklar, ob damit ein befürchteter gewaltsamer Einsatz von Sicherheitskräften in der gleichnamigen Landeshauptstadt verhindert wird.
Zahlreiche Lehrervertreter haben sich gegen ein Zurück in die Klassenzimmer ausgesprochen, solange der Gouverneur Ulises Ruiz Ortiz im Amt ist. Die rebellierenden Lehrer und ihre Unterstützer kontrollieren seit Mitte Juni de facto die südmexikanische Touristenstadt. Immer wieder kommt es zu gewaltsamen Angriffen gegen die Streikenden.
Eigentlich waren die rund 70.000 Lehrer im Mai in den Streik getreten, um höhere Löhne und bessere Lehrbedingungen durchzusetzen. Doch nachdem Gouverneur Ruiz am 14. Juni mit einem brutalen Polizeieinsatz gegen die Pädagogen vorging, schlossen sich zahlreiche andere Gruppen den Protesten an: Indigenas, Studenten, Linke. Organisiert in der „Versammlung der Bevölkerung Oaxacas“ (Appo) besetzten sie Radiostationen, errichteten Barrikaden und blockierten Regierungsgebäude. Ihre Forderung: „Weg mit Ulises Ruiz Ortiz“. Der Politiker der Partei der Institutionellen Revolution (PRI) gilt vielen als Inbegriff der Korruption und des repressiven Vorgehens, mit dem sich die PRI sieben Jahrzehnte lang in Mexiko an der Macht gehalten hatte.
Die Aktivisten machen den Gouverneur für die bewaffneten Angriffe verantwortlich, bei denen neun Menschen starben. Am vergangenen Mittwoch traf es den indigenen Lehrer Pánfilo Hernández. Er wurde von Unbekannten aus einem Auto heraus mit Pistolenschüssen ermordet. „Meine Hände sind sauber, ich habe nichts zu verstecken“, erklärte Ruiz am Samstag. Zugleich kündigte er an, dass der Konflikt in dieser Woche gelöst werde. Er schließt dabei einen Einsatz der Polizei- und Militäreinheiten nicht aus, die in den letzten Wochen in dem Bundesstaat stationiert wurden. „Es geht nicht um Räumungen oder Repression, sondern darum, Ordnung zu schaffen“, sagte Ruiz. Die konservative Bundesregierung lehnt bislang ein gewaltsames Vorgehen gegen den Aufstand ab.
Am vergangenen Donnerstag hatte der mexikanische Senat mit 74 zu 31 Stimmen gegen die Absetzung des Landeschefs gestimmt. Gleichzeitig bestätigten die Senatoren in ihrer gemeinsamen Erklärung aber, dass Ruiz „nicht über die notwendigen Bedingungen verfügt, um die Normalität wieder herzustellen“. Selbst Parteifreunde hatten kein gutes Wort für den Gouverneur übrig. Sollte sich der umstrittene Politiker jedoch noch bis Dezember an der Macht halten, wäre er zwei Jahre im Amt. Anstelle von Neuwahlen könnte die PRI dann einen Interimspräsidenten einsetzen. „Die Senatsabstimmung war ein politisches Manöver. Alle wissen, dass Ruiz nicht mehr regieren kann“, sagte Gewerkschaftssprecher Alfredo Chiu Velásquez der taz.
Doch auch die Lehrer stehen zunehmend unter Druck. Schließlich müssen rund 1,3 Millionen Kinder seit fünf Monaten auf ihren Unterricht verzichten. Nicht zuletzt deshalb einigten sich die Verhandlungsführer der Lehrer mit der Bundesregierung jetzt auf einen Kompromiss. Demnach werden die Löhne erhöht und Verbesserungen im Schulsystem durchgeführt, im Gegenzug gehen die Pädagogen ab heute wieder zurück in die Klassenzimmer.
Innerhalb der Bewegung hat die Entscheidung zu Zerwürfnissen geführt. Verhandler Enrique Rueda wurde als „Verräter“ beschimpft, Oppositionelle blockierten die Versammlung, auf der über den Vorschlag abgestimmt werden sollte. „Ruiz muss zurücktreten. Hinter diese Forderung gehen wir nicht zurück,“ erklärt Lehrersprecher Velásquez.