: Der kolumbianische Staatspräsident sieht rot
Wieder einmal erklärt Álvaro Uribe den Farc den totalen Krieg. Von Friedensverhandlungen ist keine Rede mehr. Der Vorwand dafür ist eine Autobombe, die die Rebellen in der Militärhochschule von Bogotá gezündet haben sollen
PORTO ALEGRE taz ■ Álvaro Uribe sieht keine Grundlage mehr für Gespräche mit den „Revolutionären Streitkräften Kolumbiens“ (Farc). Am Freitag und Samstag bezeichnete der kolumbianische Staatschef die Rebellen als „Terroristen“, „Hampelmänner“, „Lügner“, „Banditen“, und „Totschläger“, die aus dem Hinterhalt agierten. Man könne nicht mit Leuten verhandeln, die Autobomben zünden, sagte Uribe. Seine „moderate Sprache“ der letzten Monate habe die Armee desorientiert, ohne dass die Farc friedenswilliger geworden seien. Die Armee rief er zu einem „frontalen Kampf gegen alle Terroristen“ auf, die internationale Gemeinschaft solle dabei „militärische Unterstützung“ leisten.
Uribe reagierte auf die Explosion einer Autobombe in der Militärhochschule von Bogotá am Donnerstag, bei der 23 Menschen verletzt worden waren. Der Anschlag sei vom Guerillakommandanten „Mono Jojoy“ angeordnet worden, behauptete er und rief: „Die Farce des humanitären Austauschs, wie ihn die Farc vorgeschlagen haben, kann so nicht weitergehen!“ Als einzige Möglichkeit, 58 von den Aufständischen entführte Politiker, Polizisten und Militärs freizubekommen, bleibe nur „die militärische Rettungsaktion“.
„Das ist ein Todesurteil für die Entführten“, sagte Yolanda Pulecio, die Mutter der 2002 entführten Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt. Dem Staatschef warf sie vor, eine Verpflichtung aufzugeben, die er gegenüber den vermittelnden Staaten Frankreich, Spanien und der Schweiz eingegangen war. Der französische Außenminister Philippe Douste-Blazy erklärte: „Frankreich widersetzt sich auch weiterhin Versuchen, Entführte mit Gewalt zu befreien.“
In Cali gingen 300 Angehörige der entführten Politiker auf die Straße und kündigten weitere Mobilisierungen an. Bogotás linker Bürgermeister Lucho Garzón forderte die Farc zu einer Klarstellung auf, machte aber zugleich deutlich, dass er zu Verhandlungen mit den Rebellen keine Alternative sieht. Der Präsident habe die Tür zu einem Gefangenenaustausch zugeschlagen, der die Voraussetzung für künftige Friedensgespräche sei, hieß es auf dem Farc-nahen Internetportal Anncol, das hinter dieser Entscheidung wie auch hinter der Autobombe die USA vermutet. In den letzten Monaten hatten die Farc massiv auf den Gefangenenaustausch gedrängt. Ende September rückte Uribe erstmals von der Bedingung eines Waffenstillstands ab und signalisierte Bereitschaft zu Friedensverhandlungen. Konkrete Schritte blieben aus.
Zuvor war bekannt geworden, dass seit Juli Angehörige der Streitkräfte in mehrere Bombenanschläge in Bogotá verwickelt waren – sogar Heereskommandant Mario Montoya musste dies einräumen. All dies bezeichnete Uribe nun als „ungerechte Anschuldigungen“. Peinlich für den Präsidenten: Am Samstag erklärte Generalstaatsanwalt Mario Iguarán, für die Urheberschaft der Farc an dem Anschlag in der Militärhochschule habe er keine Beweise. GERHARD DILGER
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