: Die Stadt der Fledermäuse
GEDENKEN Das ist so Berlin: In der Stadtmitte soll ein Einheits-Denkmal entstehen. Behördenchaos verhindert die Fertigstellung
VON ANJA MAIER
BERLIN taz | Wieder mal macht Berlin von sich reden, wenn es darum geht, ein Prestigeprojekt zu versemmeln. Nein, diesmal geht es nicht um den Megaflop-Flughafen BER, diesmal geht es um das „Freiheits- und Einheitsdenkmal“. Das – ein Nationaldenkmal zur Erinnerung an die deutsch-deutsche Vereinigung – sollte anlässlich des 25. Mauerfall-Jahrestages am 9. November diesen Jahres eingeweiht werden. Doch davon kann längst keine Rede mehr sein. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) erklärte gerade, selbst der bereits auf 2015 verschobene Termin sei „schon nach heutigem Stand ein ehrgeiziger Wunsch“.
Die Gründe für die Verzögerung sind so Berlin, wie man es sich nur denken kann. Verschiedene Landesämter stehen sich gegenseitig auf den Füßen. So sei, erklärte Grütters, die Zukunft der im Sockel lebenden Fledermäuse noch nicht geklärt. Zudem gebe es entgegen der früheren Linie des Landesdenkmalamts unterschiedliche Auffassungen, was mit den Mosaiken aus der Kaiserzeit geschehen solle, mit denen der Sockel verziert ist. Und schließlich sei über den behindertengerechten Zugang zum Denkmal noch nicht endgültig entschieden worden.
Andreas Apelt von der Deutschen Gesellschaft e.V. sagt gegenüber der taz, es entbehre nicht einer gewissen Ironie, wenn „die Deutschen ein Einheitsdenkmal bauen und dies an der Fledermaus zu scheitern droht“. Der Sprecher jenes Vereins, der seit Langem Lobbyarbeit für das Projekt macht, ist dennoch zuversichtlich, dass 2015 Einweihung gefeiert werden kann. „Wenn alle mitspielen, ist das machbar“, sagt Apelt.
Offenbar spielen aber nicht alle mit. Kulturstaatsministerin Grütters berichtete der dpa, sie habe gleich nach ihrem Amtsantritt im Dezember Kontakt zum zuständigen Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) aufgenommen – eine Antwort hat die Bevollmächtigte des Bundes nie erhalten. Nun hofft Grütters, „dass Berlin mit uns die noch offenen Fragen jetzt zügig klärt. Alles andere führt zu Verzögerungen oder zu Kostensteigerungen.“ Derlei Szenarien, darf man mutmaßen, lösen in Berlin längst keine Hektik mehr aus.
Das Einheitsdenkmal als „nationales Symbol“ ist nicht unumstritten. Der Bundestag hatte 2007 die Errichtung beschlossen. Kostenpunkt: 10 Millionen Euro, gelegen nahe der Straße Unter den Linden, errichtet auf dem Sockel des einstigen Nationaldenkmals für Kaiser Wilhelm I., das 1950 geschleift worden war. Man lobte zwei Wettbewerbe aus, am Ende gewann der gemeinsame Entwurf des Stuttgarter Designers Johannes Milla und der international renommierten Choreografin Sasha Waltz. Heraus gekommen ist die sogenannte „Einheits-Schaukel“, eine fünfzig Meter große begehbare Schale, in der „Wir sind das Volk“ sowie „Wir sind ein Volk“ zu lesen ist.
Die Idee der Installation ist, dass BesucherInnen die Schale sanft in Bewegung versetzen können, indem sie Gruppen – demokratische Mehrheiten – bilden. Diese Erfahrung der gemeinsamen Kraft, erklärten die Erfinder, „soll zugleich zur Zivilcourage ermutigen und an sie erinnern“. Die Besucher seien aufgefordert, „das Erbe der Friedlichen Revolution fortzuführen“.
So richtig friedlich blieb es jedoch nicht einmal zwischen den Ideengebern. Die Choreografin Sasha Waltz ist mittlerweile aus dem Projekt ausgestiegen. Mit der Agentur Milla hatte es Streit über die Ästhetik und die Bauausführung gegeben. Ob das Projekt, für das bislang nicht einmal der Grundstein gelegt wurde, bis zum Herbst 2015 fertig wird, ist mehr als fraglich.
Andreas Apelt von der Deutschen Gesellschaft formuliert es mal so: „Jetzt geht Qualität vor Geschwindigkeit.“ Eine Argumentation, die man in Berlin von Bauprojekten wie dem Flughafen, dem Stadtschloss und nun eben auch vom Einheitsdenkmal kennt.