american pie : Mit dreckigen Händen
Kenny Rogers, alternder Pitcher der Detroit Tigers, bleibt in den Baseball-Playoffs unantastbar. Jetzt wird er der Manipulation verdächtigt
Seit 1977 läuft die Quiz-Show „Ich trage einen großen Namen“ im dritten Programm des Südwestrundfunks. Gäbe es in den USA ein Pendant zu der Sendung, in der der berühmte Namensvetter eines meist wenig prominenten Menschen erraten werden muss, hätte dort bis vor kurzem wohl auch der momentan überragende Spieler der Baseball-Playoffs auftreten können.
Denn Kenny Rogers ist nicht nur ein rauschebärtiger Country-Sänger, sondern auch Profi bei den Detroit Tigers. Dass das Team aus der Autostadt nach 13 Jahren im Tabellenkeller die World Series erreichte, hat bereits märchenhafte Züge. Dass der große Coup auf den Schultern eines Pitchers gelang, der nächsten Monat 42 Jahre alt wird und in 20 Profijahren mit sieben Vereinswechseln meist durch Durchschnittlichkeit auffiel, grenzt an ein Wunder. Auch am Sonntag in Detroit, im zweiten Endspiel gegen die St. Louis Cardinals, präsentierte sich der arg grauhaarige Rogers acht Innings lang unantastbar und sicherte den Tigers einen 3:1-Erfolg. In der Best-of-Seven-Serie, die heute Nacht in St. Louis mit dem dritten Spiel fortgesetzt wird, steht es nun 1:1.
Dreimal ist Rogers in diesen Playoffs angetreten und dreimal hat er das Spiel für Detroit gewonnen. Keinem einzigen Gegner, ob den New York Yankees in der ersten Runde, den Oakland A’s im Halbfinale oder nun den Cardinals, ist auch nur ein einziger Punkt gegen ihn gelungen. Eine unheimliche Serie, denn schließlich hatte Rogers in seinen bisherigen Auftritten in den Playoffs stets herb enttäuscht. „Ich hatte das Gefühl, dass ich etwas zu Ende bringen musste“, sagte Rogers nach dem neuerlichen Erfolg, „das ist der Grund, warum ich nach all den Jahren immer noch dabei bin.“ Der auf seine alten Tage wiedererstarkte graue Panter erntet allerdings nicht nur Bewunderung, sondern auch Misstrauen. Am Sonntag gab es erste Proteste: Einige Cardinals wollten kurz nach Spielbeginn einen Dreckfleck auf der Wurfhand des Linkshänders entdeckt haben. Nach der ersten Spielunterbrechung und noch bevor die Schiedsrichter die Unregelmäßigkeit überprüfen konnten, war der Fleck wieder verschwunden. Die Spekulationen begannen allerdings erst: Aus Harz oder Teer könnte der Fleck bestanden haben, reklamierten die Cardinals, klebrigen Substanzen also, die Rogers auf den Ball reiben könnte, um seinen Würfen so mehr Effet und tückische Flugeigenschaften zu verschaffen. Eine in der langen Geschichte des Baseball durchaus verbreitete Praxis: Immer wieder werden Pitcher suspendiert, weil sie den Ball mit illegalen Materialien gefügiger zu machen versuchen. Bis in die Zwanzigerjahre war der sogenannte Spitball sogar offiziell erlaubt: Manche Pitcher durchweichten den Ball mit der eigenen Spucke, andere bearbeiteten ihn mit Schmirgelpapier. 1987 wurde ein gewisser Joe Niekro noch mit einer Nagelfeile in der Hosentasche erwischt.
Rogers aber wischte die Anschuldigungen beiseite: Der Fleck sei nur ein wenig Erde gewesen, die beim Abreiben des dreckigen Balles an der Hand kleben geblieben sei. Tatsächlich könnten die Anschuldigungen vor allem Ausdruck der Frustration der Profis aus St. Louis sein, die mit den nicht einmal harten Würfen von Rogers nichts anfangen konnten. Das Studium älterer TV-Aufnahmen brachte gestern allerdings an den Tag, dass auf Rogers linker Hand auch bei seinen ersten beiden Playoff-Siegen verräterische Flecken zu erkennen waren. Ob beschmutzt oder nicht: Noch so ein Auftritt und der zweite Kenny Rogers dürfte dem ersten endgültig den Rang in der Prominenz abgelaufen haben. THOMAS WINKLER