: Intimes Telefonieren
Grüne wollen Neuregelung der Abhörmaßnahmen. 50.000 Telefone jährlich überwacht. Meist von Dealern
FREIBURG taz ■ Die Grünen wollen die explodierende Zahl der Abhörmaßnahmen eindämmen. Als erste Partei haben sie jetzt einen Gesetzentwurf zur Reform der Telefonüberwachung vorgelegt. Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) hingegen hat ihren angekündigten Entwurf bisher noch nicht fertig gestellt.
Die Grünen wollen sicherstellen, dass die Telefone von Berufsgeheimnisträgern wie Ärzten, Pfarrern, Rechtsanwälten und Journalisten nicht überwacht werden. Bisher gibt es eine derartige Regelung zwar bei der Wohnungsüberwachung durch Wanzen, nicht aber für die Telefonüberwachung. „Diese Schutzlücke muss endlich geschlossen werden“, sagt Jerzy Montag, der rechtspolitische Sprecher der Fraktion. Ausnahmen lassen die Grünen dann gelten, wenn ein Arzt oder Rechtsanwalt selbst als Mittäter verdächtigt wird.
Auch den „Kernbereich der privaten Lebensgestaltung“ – gemeint sind Telefongespräche mit engen Familienangehörigen und Lebenspartnern – wollen die Grünen schützen. Derart persönliche Telefonate dürften zwar automatisch aufgezeichnet werden, aber im Strafverfahren nicht verwertet werden. Wer abgehört wurde, soll nachträglich benachrichtigt werden, fordern die Grünen. Nach einer Studie aus dem Jahr 2003 wird bisher nur ein Viertel der abgehörten Verdächtigen von der Maßnahme informiert.
Bisher ist das Abhören von Telefonen möglich, wenn es um Ermittlungen gegen bestimmte Straftaten geht. „Der Katalog in der Strafprozessordnung wurde aber schon 28-mal ergänzt und umfasst jetzt mehr als hundert Strafnormen“, kritisiert Jerzy Montag. Gleichzeitig vermisst er in dem Katalog Delikte wie Bestechung oder Körperverletzung mit Todesfolge.
Die Grünen wollen deshalb ganz auf einen Straftaten-Katalog verzichten. Stattdessen soll das Abhören von Telefonen immer dann möglich sein, wenn es um Verbrechen oder schwere Vergehen geht und zugleich im konkreten Fall eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr zu erwarten ist.
Damit wäre die Zahl der Abhörmaßnahmen aber wohl nicht wesentlich einzudämmen. Rund 70 Prozent der Fälle betreffen derzeit Drogendelikte, bei denen in Deutschland auch künftig mehrjährige Haftstrafen die Regel sein werden. Die starke Zunahme auf jetzt fast 50.000 überwachte Telefone pro Jahr rührt vor allem daher, dass Kriminelle ständig ihr Handy wechseln, um das Abhören zu erschweren. CHRISTIAN RATH