: „Druck in den Schulen“
ISLAMISMUS Diskussion über die Frage, warum sich vor allem jugendliche Muslime radikalisieren
■ 26, die Islam- und Politikwissenschaftlerin ist Fachberaterin beim Paritätischen Gesamtverband Hamburg.
taz: Frau Fernau, ist die Radikalisierung islamischer Jugendlicher ein akutes Problem?
Sidonie Fernau: Ja. Einerseits, weil es Jugendliche gibt, die nach Syrien gereist sind, um am bewaffneten Kampf teilzunehmen. Andererseits gibt es Berichte über radikalisierte Jugendliche an Hamburger Schulen.
Inwiefern radikalisiert?
Weibliche Lehrkräfte werden nicht anerkannt, der Gemeinschaftsunterricht von Mädchen und Jungen abgelehnt. Zudem nimmt der Druck auf Andersgläubige und vermeintlich zu liberale Muslime zu. Hinzu kommt die Angst der Mehrheitsgesellschaft, was teils zu einem Generalverdacht gegenüber Muslimen führt. Deshalb müssen wir uns dem Thema widmen.
Woran fehlt es?
Zunächst an der Forschung. Es gibt kaum Erkenntnisse darüber, wie in Deutschland Radikalisierungsprozesse muslimischer Jugendlicher vor sich gehen.
Aber Sie haben Ihre Abschlussarbeit darüber verfasst.
Und aufgrund der vergleichsweise geringen Materiallage zu Radikalisierungsprozessen hierzulande habe ich mich mit Frankreich, Dänemark und den Niederlanden befasst, um Erkenntnisse über Deutschland zu gewinnen.
Was kam heraus?
Dass junge Muslime eine besonders gefährdete Gruppe sind. Diskriminierungserfahrungen können dabei eine Radikalisierung begünstigen. Aber letztlich führt immer eine individuelle Kombination von Faktoren zur Radikalisierung.
Was tun die islamischen Gemeinden dagegen?
Sie haben wenig Einfluss, weil sich Radikalisierte oft isolieren und auch den Imam nicht mehr als Autorität anerkennen. INTERVIEW: PS
Podiumsdiskussion „Islamismus – nur eine jugendliche Subkultur?“ u. a. mit dem Islamwissenschaftler Götz Nordbruch, Sidonie Fernau (Paritätischer Gesamtverband) und Nadim Gleitsmann (Verbund für interkulturelle Kommunikation): 16.30 Uhr, Finanzbehörde, Gänsemarkt 36