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Archiv-Artikel

Die Herkunft heraushören

Kann man Musik ihre Herkunft anhören? Klingt in ihr der Ort, an dem sie entstanden ist? Verrät sie, woher die Menschen stammen, die sie machen? Wenn dem so ist: Wie hören sich dann wohl eine Berlinerin und ein Däne an, die ihr zweites Album in einem Studio an der norwegischen Küste eingespielt haben? Und wie – im Vergleich dazu – ein Engländer, ein US-Amerikaner und ein Deutscher, die in Berlin zusammengefunden haben, aber in eine ausgediente Textilfabrik in Manchester gegangen sind, um ihre Musik aufzunehmen?

Man darf feststellen: Tatsächlich denkbar unterschiedlich. Andrea Schroeder und Jesper Lehmkuhl, ihr Partner in der Musik und im Leben, hantieren auf „Where The Wild Oceans End“ vor allem mit Americana-Klischees. Die Gitarren sind stets übersteuert, vibrieren nervös, bevor sie dann losgelassen den Verstärker durchzubrennen drohen. Darüber singt Schroeder mit ihrer erstaunlich tiefen, bisweilen sehr strengen Stimme ein Englisch, das seinen deutschen Akzent nicht loswird, nicht loswerden will, von Geistern, die in den Straßen Berlins wandeln. „Heroes“ allerdings, den alten Gassenhauer von David Bowie, singt sie in seiner deutschen Version. In seiner brüchigen Verlorenheit erinnert das tatsächlich bisweilen an Nico. Mit der 1988 verstorbenen Ikone hat Schroeder auch eine Vergangenheit als Model gemeinsam. Entscheidendes aber trennt die beiden: Schroeder singt lange nicht so kunstvoll vorbei an den vorgesehenen Melodien, sondern trifft ihre Töne zielsicher.

Während Schroeder eine amerikanische Ghost Town nach Berlin imaginiert, klingen I Heart Sharks wie das Berlin aus dem Reiseprospekt: Aufstrebende Metropole mit spannender Geschichte und viel Humor sucht nach jungen Leuten, die sich mal richtig amüsieren wollen. Pierre Bee kam aus London, Simon Wangemann aus New York, als sie sich 2007 im Berghain kennenlernen, 2012 kommt Martin Wolf dazu. „Anthems“ hört sich nun an wie der kleinste gemeinsame Nenner eines solchen multikulturellen Musikantenkonglomerats: international anschlussfähige Popmusik, auf Hochglanz polierte Gitarren, sauber schillernde Synthies, hüpfende Beats für den Dancefloor und euphorische Melodien fürs Radio. Aber so glattgebügelt der Electro-Pop des Trios ist, so elegant und geschmackssicher ist er auch. Allerdings: Seine Herkunft hört man ihm garantiert nicht an. THOMAS WINKLER

■ I Heart Sharks: „Anthems“ (Island/ Universal), live am 29. 4. im Bi Nuu

■ Andrea Schroeder: „Where The Wild Oceans End“ (Glitterhouse/ Indigo), live am 25. 4. im Lido