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Archiv-Artikel

„Actionserien aus Amerika fand ich grandios“

MACHERIN Die TV-Producerin Ceylan Yildirim über ihren Job, Fernsehen für Kinder und die Darstellung von MigrantInnen in den Medien

Die Producerin und ihre Serie

Ceylan Yildirim, 33, wuchs in Berlin-Spandau als Tochter türkischer Einwanderer auf. Heute arbeitet sie bei der Berliner Filmproduktionsfirma Askania Media.

„Allein gegen die Zeit“ ist die erste vom deutschen Fernsehen gedrehte Echtzeitserie – die erzählte Zeit entspricht, wie etwa bei „24“, exakt der Sendungsdauer. Ausgestrahlt wurde die Serie vom öffentlich-rechtlichen Kinderkanal. Die Handlung dreht sich um fünf Jugendliche, die ihre MitschülerInnen aus der Gewalt von Gangstern befreien müssen. Eine zweite Staffel ist derzeit in Arbeit.

INTERVIEW ALKE WIERTH

taz: Frau Yildirim, Sie haben sich sehr ungern fotografieren lassen. Warum? Die Kamera ist doch Ihr Medium.

Ceylan Yildirim: Ich stehe aber lieber dahinter als davor. Ursprünglich wollte ich Schauspielerin werden, doch ich habe gemerkt: Mich so zu präsentieren liegt mir nicht. Mit Fotos geht es mir ähnlich: Ich mag ungestellte Bilder, Momentaufnahmen. Bei einer offiziellen Fotosession komme ich mir beobachtet vor.

Damit, interviewt zu werden, haben Sie aber keine Probleme?

Im Gegenteil: Ich rede sehr gern über meinen Beruf, weil ich denke, dass das Berufsbild der Producerin nicht sehr bekannt ist.

Dann erklären Sie uns das doch gleich mal!

Der Producer sorgt dafür, dass Fernseh- und Filmstoffe ganz genau so, wie sie im Drehbuch stehen, später auf dem Bildschirm oder der Leinwand zu sehen sind, und zwar im Rahmen des vorhandenen Budgets. Von der Idee aus, die von mir, einem Auftraggeber oder Autor kommt, kümmere ich mich um die Entstehung des Drehbuchs, um die Auswahl der Schauspieler, die Kommunikation zwischen Redaktion und Team. Im Moment bereiten wir gerade die zweite Staffel der TV-Serie „Allein gegen die Zeit“ vor …

eine Abenteuerserie für Kinder und Jugendliche, die als erste deutsche Fernsehproduktion als Echtzeitserie gedreht wurde und für deren erste Staffel Sie eine Menge Preise bekamen. Wer hatte dazu die Idee?

Die Idee für das Echtzeitformat kam vom NDR. Der Redakteur dort, Ole Kampovski, ist ein großer „24“-Fan und hatte die Idee, so etwas auch für den Kinderkanal zu machen. Die Geschichte kam dann von mir: Es geht um eine Geiselnahme an einer Schule, bei der eine Gruppe von Nachsitzern unentdeckt bleibt und den Kampf gegen die Gangster aufnimmt. Ich wollte schon immer einen Thriller produzieren, der in einer Schule spielt. Denn Schule ist ein Mikrokosmos, in dem sich Kinder und Jugendliche sehr gut auskennen. Dort eine Gefahrensituation zu kreieren, die sie ohne Erwachsene, auf sich allein gestellt, meistern müssen, fand ich sehr spannend. Das Konzept für die Serie hat schließlich das Autorenteam Silja Clemens und Stephan Rick entwickelt.

Ein ziemlich anspruchsvolles Format für ein Kinderprogramm.

Kinderfernsehen wird oft sehr unterschätzt. Kinder lassen sich durch das, was sie im Fernsehen sehen, noch enorm beeindrucken Es ist wie ein Leitfaden: Wie verhalten sich Menschen aus meiner Altersgruppe, auf meiner Augenhöhe, in bestimmten Situationen? Es gibt aber leider im aktuellen Kinderfernsehen wenig, das solche Orientierungsmöglichkeiten bietet.

Wie kommen Sie zu Ihrer Fernsehleidenschaft?

Meine Eltern waren beide berufstätig, ich war ab der vierten, fünften Klasse nach der Schule allein zu Hause. Da habe ich eben heimlich Fernsehen geguckt.

Was haben Sie so geguckt?

Die ganzen verbotenen Sachen: „Ein Colt für alle Fälle“, „Trio mit vier Fäusten“, amerikanische Action-Serien fand ich grandios.

Geschadet hat es Ihnen ja offenbar nicht.

Ich glaube, Fernsehen verblödet Kinder prinzipiell dann nicht, wenn ihnen ermöglicht wird, sich damit kritisch auseinanderzusetzen, Fragen zu stellen und auch beantwortet zu bekommen. Wenn ein Kind den ganzen Tag vor dem Fernseher sitzt und keine Reflexionsmöglichkeiten, keine Austauschmöglichkeiten hat, dann ist das sicher nicht förderlich. Aber ich habe mit meinen Eltern viel geredet, sie haben mich ungeheuer zum Lesen ermutigt, und ich hab alle Bücher, die ich in die Finger kriegen konnte, verschlungen: „Fünf Freunde“, „TKKG“, vor allem die „Drei Fragezeichen“. Wenn ich enttäuscht war von den Enden meiner Lieblingsserien, von den Lösungen der Geschichten, habe ich mir neue ausgedacht. So kam ich darauf, selbst zu schreiben, und so entstand eigentlich der Traum, später selbst mal fürs Fernsehen zu arbeiten.

Wie haben Sie denn Ihren Traum, beim Fernsehen zu arbeiten, verwirklichen können?

Um ein paar steile Ecken: Ich hatte als Schülerin ja überhaupt keine Vorstellung, welche Berufsmöglichkeiten – außer Schauspieler – es da eigentlich gibt. Schließlich habe ich mich für ein Studium der Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften an der FU Berlin eingeschrieben – und mich wahnsinnig gelangweilt.

Warum?

Weil das Studium sich rein theoretisch mit der Materie auseinandersetzte. Ich wollte aber wissen: Wie funktioniert eine Kamera, wie ist es am Set, was braucht es, um einen Film herzustellen? Dann habe ich angefangen, mir Praktika zu suchen, um möglichst viel Filmluft zu schnuppern, und so bin ich irgendwann bei meiner jetzigen Firma Askania Media gelandet, die damals noch die Kika-Internatsserie „Schloss Einstein“ produzierte.

Hat Ihr türkischer Familienhintergrund eigentlich eine Rolle bei Ihrer Jobsuche gespielt?

Und wie! Eine ganz wichtige sogar: Er war fast so was wie meine Eintrittskarte, auch wenn alles mit einem Streit angefangen hat.

Wie bitte?

Ich bin bei meinem Bewerbungsgespräch gleich mit dem damaligen Chefdramaturg Dieter Saldecki aneinandergeraten. Der hatte sich für „Schloss Einstein“ eine Geschichte ausgedacht, die ich so wahnsinnig klischeebehaftet fand, dass ich mich sehr geärgert habe. Es ging um einen muslimischen Jungen, der mit Gebetsteppich in die Schule kommt und in den Pausen immer beten will, was ihm die Lehrer natürlich verbieten. Daneben hat er aber zwei Freundinnen gleichzeitig und macht Ärger, als sich eine davon in einen anderen verliebt – ich hatte ein ziemliches Wortgefecht mit Dieter Saldecki und die Stelle schon verloren gegeben. Heute glaube ich, dass ich sie gerade deshalb bekommen habe. Saldecki wurde meine Mentor und Unterstützer – ein großartiger Mensch! Leider ist er inzwischen verstorben, er fehlt mir sehr.

Nun produzieren Sie Serien, in denen selbstverständlich Kinder aus eingewanderten Familien vorkommen. Das ist Ihnen wichtig?

Sehr sogar. Zum einen, weil man dadurch die Möglichkeit hat, Berührungsängste zu nehmen. Zum anderen, um Kindern aus Einwandererfamilien positive Identifikationsmöglichkeiten anzubieten, sie mal positiv darzustellen. Sie schneiden in den Medien ja meist nicht gut ab. Bei „Allein gegen die Zeit“ wollte ich das besondere Verhältnis zwischen großem und kleinem Bruder in türkischen Familien abbilden, deren Umgehen miteinander positiv zeichnen, so wie ich es in türkischen Familien auch erlebe: Dass der Jüngere dem Älteren nacheifert, dass der Ältere den Kleineren beschützt und ihm einfach in jeder Situation zur Seite steht. Das ist nur eine Nuance, die inhaltlich keine große Rolle spielt, aber ich finde das wichtig. Und ich merke an den Rückmeldungen der Fans, dass das auch wahrgenommen wird, dass es aufgeht: Wir haben wahnsinnig viele Zuschauer mit Migrationshintergrund.

Dabei wird ja oft bezweifelt, dass MigrantInnen überhaupt deutsches Fernsehen gucken.

Da tut sich eine ganze Menge. Die Zuschauer sind bereit sich zu öffnen und auch die Programmmacher. Figuren werden immer selbstverständlicher mit Menschen mit Migrationshintergrund besetzt, deren Lebenswelt spielt zunehmend auch eine Rolle in Produktionen. Nehmen Sie den Erfolg der Serie „Türkisch für Anfänger“! Es ist der türkischstämmige Drehbuchautor Bora Dagtekin, der die Authentizität der Charaktere und der Dialoge einbringt. Ich weiß nicht, wie die Serie geworden wäre, wenn sie nur von Deutschen produziert worden wäre.

Haben Sie keine Angst, aufgrund ihres Migrationshintergrunds in eine Schublade gesteckt zu werden?

Nein, überhaupt nicht. Ich glaube, dass das ein wahnsinniger Erfahrungswert ist – ein Rucksack, den wir Einwandererkinder alle mit uns rumschleppen, den man aber sinnvoll einbringen kann. Und sollte.