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Archiv-Artikel

JÜRGEN GOTTSCHLICH ÜBER DIE SYRISCHEN FLÜCHTLINGE IN DER TÜRKEI Angespannte Solidarität

Stellen Sie sich für einen Moment vor, nach Deutschland wären in den letzten zwei Jahren 1 Million Menschen aus Polen gekommen. Geflüchtet vor einem Bürgerkrieg, mittellos die meisten, viele traumatisiert.

Angesichts der Reaktionen in vielen deutschen Städten und Dörfern, wenn bei ihnen ein Heim für Asylbewerber eingerichtet werden soll, mag man sich gar nicht vorstellen, was passieren würde, wenn Deutschland mit einem Flüchtlingsproblem konfrontiert wäre wie derzeit die Türkei. Aus den maximal 100.000 Flüchtlingen aus Syrien, die die Türkei ursprünglich aufnehmen wollte, sind jetzt bereits offiziell 1 Million geworden.

Die gute Nachricht dabei: Diese Menschen sind von der türkischen Bevölkerung weitgehend solidarisch aufgenommen worden. Dabei hilft, dass die Regierung die Aufnahme der Flüchtlinge als notwendige nachbarschaftliche Hilfe verteidigt und auch viel dafür tut, dass es nicht zu Konflikten kommt. Rund ein Viertel der Flüchtlinge wird in gut ausgebauten Lagern praktisch vollversorgt. Das kostet die Türkei jedes Jahr Milliarden Dollar, die sie klaglos bezahlt ohne nennenswerte Unterstützung aus der EU, den USA oder anderen reichen Weltgegenden zu bekommen.

Aber je länger der Bürgerkrieg dauert, umso schwieriger wird es. Viele der – vermeintlichen – Gäste aus Syrien werden nie mehr zurückgehen. Noch ist die Türkei von libanesischen Verhältnissen weit entfernt, aber der Krieg kommt auch jetzt schon immer mal wieder über die Grenze ins Land.

Mit all diesen Problemen wird die Türkei allein gelassen. Seit die Welt auf die Ukraine schaut, ist Syrien zu einem Hintergrundrauschen im Nachrichtenstrom geworden. Zugegeben, die Lage ist extrem schwierig, aber Ignoranz ist nicht nur inhuman, sondern kann sich für die EU noch furchtbar rächen.

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