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Archiv-Artikel

„Ein Sieg gegen den Staat“

THEATER Die Geschichte der ermordeten Frauen von Ciudad Juárez auf der Theaterbühne

Perla de la Rosa

■ Schauspielerin und Dramaturgin, arbeitet an der Uni Ciudad Juárez und leitet das Theater Telón de Arena mit FOTO: KNUT HENKEL

taz: Frau de la Rosa, wann entstand die Idee, ein Theaterstück über die Frauenmorde von Ciudad Juárez zu machen?

Perla de la Rosa: Oh, es ist nicht das erste Mal. Das hängt mit unserer Entscheidung zusammen, ein Theater mit sozialem Anspruch zu machen, wo die Nähe zur US-Grenze und die damit einhergehenden Probleme eine zentrale Rolle spielen. Mit „Antigone“, in dessen Mittelpunkt die Suche der Angehörigen nach ihren verschwundenen Töchtern, Frauen, Tanten oder Cousinen steht, waren wir 2006 auch in Deutschland unterwegs. Damals bemühte sich die Regierung, die Frauenmorde zu verschleiern und herunterzuspielen. Das haben wir thematisiert.

Warum ein zweites Stück zum gleichen Thema?

Ich war mit den drei Frauen in Kontakt, die beim Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen den mexikanischen Staat geklagt haben, weil der systematisch ihr Recht auf Aufklärung der Morde an ihren Kindern ignorierte. Die Klage war erfolgreich und da habe ich zugesagt, dass ich etwas schreiben würde über den Prozess und den Sieg gegen den Staat.

Ein Sieg mit einem schalen Beigeschmack …

Ja, denn die drei Frauen hatten den Mut, den Anwälten des Staates die Stirn zu bieten und damit auch dem Staat und seinem Apparat. Das war ein Sieg, aber das Bild wandelte sich wenige Tage später mit dem Mord an Marisela Escobedo. Sie war eine der drei Frauen, die für die Aufklärung des Mordes an ihrer Tochter geklagt hatten, aber letztlich ermordet wurde, obwohl der Menschenrechtsgerichtshof den mexikanischen Staat aufgefordert hatte, sie zu schützen.

Wie soll der Zuschauer hier die komplexe Realität in Ciudad Juárez verstehen?

Die übersetzten Texte werden auf die Leinwand projiziert, das hilft. Wir wissen natürlich, dass wir nur einen kleinen Teil der deutschen Gesellschaft für die Situation in Ciudad Juárez und die latente Straflosigkeit sensibilisieren können. In Kolumbien, wo wir beim Festival des alternativen Theaters spielten, wissen die Menschen gleich worum es geht. Sie leiden unter den gleichen Problemen: ein ineffektives Justizsystem, korrupte, oft unwillige Ermittlungsbeamten und ein Staat, der kaum ein Interesse daran hat, dass Recht auch Recht bleibt. An unserem Beispiel lernt das deutsche Publikum vielleicht, wie wichtig der Zugang zu einem funktionierenden Justizsystem ist.  KNUT HENKEL

„Justicia Negada“: 20 Uhr, Sprechwerk, Klaus-Groth-Str. 23