: Kaum Licht im Paragrafendschungel
Erlaubnispflichtig oder doch nicht? Laternen-Umzüge sind in Lübeck ein heikles Thema. Zumindest dann, wenn die Kinder der ehrwürdigen Hansestadt auch auf deren Straßen leuchten wollen
Ein Paragraf, zwei Meinungen. In Lübeck sind Laternen-Umzüge zum Zankapfel zwischen Politik und Verwaltung geworden. Der Knackpunkt dabei ist: Sind die Lichterfeste erlaubnispflichtig oder nicht? Die Stadt meint: ja. Denn „Veranstaltungen, für die Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen werden, bedürfen der Erlaubnis.“ So steht es in Paragraf 29, Absatz 2 der Straßenverkehrsordnung.
Politiker hingegen weisen auf die Verwaltungsvorschrift hin: „Ortsübliche Prozessionen“ und „kleinere örtliche Brauchtumsveranstaltungen“ sind demnach „verkehrsüblich und somit nicht erlaubnispflichtig“. Lübecks Stadtsprecher Marc Langentepe entdeckte wiederum einen interessanten Kommentar zum Gesetzestext: Weil in der Regel bei Laternenumzügen die Fahrbahn benutzt werden müsse, „wird bei entsprechenden Veranstaltungen auf der Fahrbahn die Erlaubnispflicht weiterhin gesehen“. Langentepes Interpretation: „Auf Gehwegen gibt es keine Erlaubnispflicht, auf der Straße ja.“
Die Lokalposse interessiert nicht nur den Amtsschimmel: Sind die Veranstalter nicht nur von Laternenumzügen auf die städtische Erlaubnis angewiesen, zieht das einen erweiterten Versicherungsschutz nach sich. „Und da stellen sich viele große Versicherer quer“, weiß Manfred Hensel aus eigener Erfahrung. Ende September genehmigte die Stadt ein von ihm beantragtes Lichterfest nicht. Hensel rief bei mehreren Versicherern an, die allesamt abwinkten. „Die müssten dann eventuelle Schäden an Straßen, Ampeln und so weiter abdecken“, weiß er, was eine vorherige Begehung erfordere. Und das wird teuer – zu teuer für kleine Initiativen.
Nach der Absage gab es traurige Kinder, empörte Bürger – und tatkräftige Politiker. Der FDP-Vorsitzende Thomas Schalies stellte einen Antrag in der Bürgerschaft. Der Bürgermeister wurde „dringend“ ersucht, bei der Bearbeitung von Anmeldungen für Laternenumzüge „sorgfältig zu prüfen, ob eine Erlaubnisfreiheit gemäß der Verwaltungsvorschrift“ in Betracht komme. Die Bürgerschaft nahm den Antrag einstimmig an. Jedoch kann das Stadtparlament in diesem Punkt zwar beraten, aber keine Weisung an den Bürgermeister erteilen. Und so gab es jüngst bei einem Laternenumzug der „Interessengemeinschaft Dornbreite“ wieder Probleme mit der Erlaubnis. Die Veranstalter hatten Glück: Ihre Versicherung zeigte sich kulant. Wie das Lübecker Laternen-Dilemma weitergeht, steht dagegen in den Sternen. SÖRRE WIECK