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Archiv-Artikel

Macher des Misserfolgs

Die Elf von Schalke 04 kann gut Fußball spielen, tut dies aber viel zu selten. Nach dem Pokal-Aus gegen den Zweitligisten 1. FC Köln sucht Manager Andreas Müller vergeblich nach Erklärungen

AUS KÖLN DANIEL THEWELEIT

Dieser Sound war neu. Die Tore des 1. FC Köln beim 4:2 im DFB-Pokal gegen Schalke 04 wurden von einem Jubelgeräusch begleitet, wie es in Köln sehr lange nicht zu hören war. In all den Abstiegsjahren schwang beim Torschrei stets die Angst mit, und in Zweitligazeiten ist der Jubel mit dem hemmenden Gefühl unterlegt, dass ein Sieg gegen Rot-Weiß Essen eben nur ein Sieg gegen Rot-Weiß Essen ist. Diese Inbrunst, diese Freiheit der Freude, die am Dienstagabend in Köln ausbrach, wirkte, als sei für einen flüchtigen Moment eine kühn erträumte Zukunft zu Besuch gekommen. „Die zweite Liga ist eben ein anderes Terrain, wir waren unsicher nach dem 0:0 in Unterhaching, doch die Frage nach unserer Qualität konnten wir heute beantwortet“, sagte Thomas Broich, der nach seinem Tor zum 3:2 in der Verlängerung und dem Pass auf Adil Chihi zu dessen 4:2 (98.) so etwas wie der Mann des Abends war.

Die Kölner Spieler und ihre Fans waren nach dem wendungsreichen 2:2 in der regulären Spielzeit, einer entscheidenden Roten Karte für Zlatan Bajramovic beim Stand von 2:1 (69.) und der aufregenden Verlängerung längst beschwingt auf dem Heimweg, als Schalkes Manager Andreas Müller noch im Bauch der Arena stand und fieberhaft nach Antworten suchte. Es sind drei Zentren, um die sich die Schalker Fassungslosigkeit nach der erschreckend leblosen ersten Halbzeit von Köln, an deren Ende man bereits mit 0:2 zurücklag, drehte. Hat dieser Kader tatsächlich die Qualität, die die Verantwortlichen immer anpreisen? Und wenn ja, liegt es an Trainer Mirko Slomka, dass diese Qualität nicht mit Konstanz ausgespielt werden kann? Oder sind die Einzelspieler gut genug, in dieser Konstellation aus fußballerischen und menschlichen Gründen aber nicht zu einem funktionierenden Kollektiv zusammenzufügen? „Es gibt ein Gesamtbild, und das passt nicht“, erklärte Müller.

Den Kader hat er selber mit vielen Millionen Euro zusammengekauft. „Es liegt nicht an der Qualität, die Mannschaft braucht nur eine höhere Konstanz, und für diese Dinge ist der Trainer zuständig“, sagte Müller zu Punkt eins. Zu Punkt zwei, der Trainerfrage, entgegnete er: „Jetzt fangt ihr wieder mit dem Trainer an. Glaubt mal nicht, dass ein Thomas Schaaf nicht gewarnt hat vor dem FK Pirmasens. Bremen fliegt da raus, und da diskutiert keiner über den Trainer.“ Slomka war Müllers Idee. Und zu Punkt drei, der Launenhaftigkeit der Mannschaft, sagte er: „Das spielt sich in den Köpfen der Spieler ab, fragt doch die.“

Die Mannschaft stagniert trotz massiver Verstärkungen seit dem Frühjahr 2005, sie spielt mal eine Halbzeit gut, dann wieder fehlerhaft und ohne Tempo. Die Verantwortlichen bieten dafür immer wieder nur kurzfristige Erklärungen: „Beim 2:0 gegen Bremen am dritten Spieltag haben wir alles gezeigt“, ist so ein redundanter Satz, oder: „Wir sind Zweiter in der Tabelle, das zeigt die Qualität.“ Warum man trotz Millioneninvestitionen nun schon im dritten Herbst hintereinander hoch unzufrieden ist und die Journalisten die Trainerfrage stellen (2004 wurde Jupp Heynckes entlassen, 2005 Ralf Rangnick) kann auf Schalke niemand schlüssig erklären.

Gut möglich, dass es sich um eine Mischung vieler Aspekte handelt, die dieser Konstanz im Unkonstanten zugrunde liegt. Vielleicht gibt es tatsächlich einen Trainer, der besser zu dieser Mannschaft passt. Vielleicht wurden Spieler wie Kevin Kuranyi oder Fabian Ernst überschätzt, sie kamen aus ungewöhnlich gut funktionierenden Teams und spielten dort deutlich besser, als es ihnen auf Schalke gelingen mag. Und dass Kuranyi nach seiner Auswechslung nicht auf die Bank zurückkehrte, sondern während der zweiten Halbzeit und der Verlängerung alleine im Mannschaftsbus saß, ist nur ein Indiz dafür, dass es trotz gegenteiliger Beteuerungen gewisse atmosphärische Störungen in der Gruppe gibt.

Müller will von all dem nichts wissen, er müsste sich ja selber in Frage stellen. Nun folgen ein Auswärtsspiel beim VfB Stuttgart und die Partie gegen Bayern München eine Woche später, „eine große Chance, die gute Position in der Bundesliga zu bestätigen“, sei das, so Müller. Doch bergen diese Spiele mindestens ebenso die Gefahr, dem Manager Tabellenplatz zwei und damit das letzte Argument zu rauben.