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Archiv-Artikel

Fortgesetzte Pflichtverletzung

Amtsgericht verurteilt Betreuer, der fünfjährigen Jungen beim Schwimmen unbeaufsichtigt ließ. Der wäre fast ertrunken. Während Erwachsene nur zusahen, rettete ihn eine Schülerin

VON ELKE SPANNER

Florian F. hat im Leben noch einiges vor. Ein Jahr lang hat er im Ausland Entwicklungshilfe geleistet, jetzt studiert er Sozialpädagogik und arbeitet mit Flüchtlingskindern – „weil ich weiß, dass sie Unterstützung brauchen“. Allein: Mit dem guten Willen ist es nicht getan. Florian F.s Wunsch, Verantwortung für andere zu übernehmen, hat den kleinen Mohammed fast das Leben gekostet: Der Fünfjährige wäre fast ertrunken, als F. im Juli 2005 mit einer Gruppe von acht Kindern zum Schwimmen in der Alsterschwimmhalle war. Wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilte das Amtsgericht den 27-jährigen Betreuer gestern zu einer Geldstrafe in Höhe von 1.200 Euro.

Florian F. arbeitet als Tagesvater in einer Flüchtlingsunterkunft in Wandsbek. Nachmittags betreut er Kinder, macht mit ihnen Hausaufgaben oder Ausflüge. Jeden Mittwoch geht die Gruppe in die Alsterschwimmhalle. Normalerweise seien zwei Betreuer dabei, so trug es Florian F. gestern vor Gericht vor, aber der zweite habe sich an jenem Tag krank gemeldet. Da sei er alleine mit den Mädchen und Jungen losgezogen. „Ich habe mir das zugetraut und wollte die Kinder nicht enttäuschen.“

Die Gruppe war im Außenbecken, als F. Mohammed aus den Augen verlor. Offenbar hatte der Fünfjährige alleine das Becken verlassen, war zur Rutsche gelaufen, ausgerutscht und ins Wasser gestürzt – alles unbemerkt von Betreuer Florian F. Der tobte mit den größeren Kindern im Wasser herum. „Ich war abgelenkt“, sagte er nun und musste sich vom Richter zurechtweisen lassen: Er solle die Verantwortung nicht auf die Kinder schieben. Denn einzig er habe Fehler begangen: F. habe sich total überschätzt, als er sich zutraute, allein mit acht Kindern schwimmen zu gehen. Die Pflichtverletzung habe sich dann in der Schwimmhalle fortgesetzt, wo es ihm – was abzusehen gewesen sei – nicht gelang, alle Kinder im Blick zu behalten. „Sie haben ein unverschämtes Glück“, sagte der Richter, „dass dieser Junge nicht zu Tode gekommen ist.“

Kein Verständnis zeigt er auch für die Aussage des Betreuers, Mohammed habe eigentlich gar nicht zur Gruppe gehört und sei auf ausdrücklichen Wunsch der Mutter mitgenommen worden. Auch habe die größere Schwester behauptet, der Fünfjährige könne schon schwimmen. „Wenn Sie ihn mitnehmen“, erwiderte der Richter darauf, „müssen Sie auch auf ihn aufpassen.“

Dass der Fünfjährige damals mit dem Leben davonkam, hat er nicht den zahlreichen anwesenden Erwachsenen zu verdanken. Gerettet wurde er von der 15-jährigen Schülerin Karina, die ihn bewusstlos auf dem Beckenboden liegen sah und rauszog. Die hatte sich zuvor Hilfe suchend an einen Rentner gewandt, der neben ihr am Beckenrand stand. Ob er wisse, was das da auf dem Beckenboden sei, fragte sie, und der Mann antwortete: „Da liegt einer. Der liegt da schon eine ganze Zeit.“ Nur Karina sprang.

Inzwischen haben die Betreuer, die nach wie vor mit den Flüchtlingskindern schwimmen gehen, die Baderegeln verschärft. Auch mit der Familie von Mohammed hat Florian F. noch Kontakt: „Ich möchte den Beruf gerne weiterhin ausüben.“