: Prozess ausgesetzt
TOTER RÄUBER VON SITTENSEN
Es war ein kurzer Prozesstag: Zwei Jahre hatte sich die Juristen darüber gestritten, wie der Todesschuss des 77-jährigen Jägers Ernst B. in den Rücken des 16-jährigen, flüchtenden Einbrechers Labinot S. zu werten ist. Jetzt platzte der Termin wegen mutmaßlicher Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten.
Labinot S. und vier ältere Komplizen hatten B. am Abend des 13. Dezember 2010 in dessen Villa in Sittensen überfallen, um ihn auszurauben. Als die Männer flüchteten, schoss der alte Mann den Heranwachsenden in den Rücken.
Das Landgericht Stade lehnte es ab, gegen den alten Mann ein Hauptverfahren zu eröffnen, weil es den Schuss des Jägers aus zwei Metern Distanz als Akt der Notwehr wertete. Das Oberlandesgericht korrigierte diese Auffassung. Am Mittwoch musste Ernst B. vor der 2. Großen Strafkammer des Landgerichts Stade erscheinen und sich wegen des Vorwurfs des Totschlags verantworten.
Doch das Verfahren nahm ein jähes Ende. B.s Verteidiger präsentierten gleich zu Beginn ein ärztliches Attest, wonach der inzwischen 80-jährige Ex-Unternehmer und Millionär psychisch schwer angeschlagen und deshalb verhandlungsunfähig sei. Ein Weinkrampf B.s im Gerichtssaal untermauerte die Diagnose. Das Gericht unterbrach die Verhandlung und zog einen zufällig im Gerichtsgebäude anwesenden medizinischen Gutachter hinzu. Der untersuchte Ernst B., konnte jedoch auf die Schnelle kein Urteil fällen.
Das Gericht hat nun einen Sachverständigen beauftragt, bis Mittwoch den Gesundheitszustand B.s zu analysieren und angekündigt, was dem Gericht sicherlich nicht ungelegen kommt, gegebenenfalls den Prozess bis auf unbestimmte Zeit auszusetzen – was das Ende des Verfahrens bedeuten würde.
Damit käme auch die Stader Justiz ohne Blessuren aus dem Fall. Denn die Staatsanwaltschaft hatte Ernst B. von Anfang an Notwehr zugebilligt. Und falls es Totschlag gewesen sein sollte, komme die straffreie Version zum Tragen, weil B. zum Zeitpunkt der Tat aus Angst und Furcht „verwirrt“ gewesen sei. Erst als die Räuber nach ihrer Verurteilung umfangreich aussagten und die Polizei die Tatortspuren neu bewertete, sah sich die Staatsanwaltschaft genötigt, Anklage zu erheben. KVA