Mama ist Königin

NÄHE Ägyptische Männer vergöttern ihre Mütter und Steroide, sagt Denis Dailleux. Für seine Reportage erhält er den World Press Photo Award

Er sagt: Bei den Aufnahmen verhandelte er auch die Beziehung zu seiner Mutter neu. Jedes Bild sei ein emanzipatorischer Schritt gewesen

Denis Dailleux muss seine Botschaft brüllen, um sie verständlich zu machen. Es ist Freitagnachmittag, und der Fotograf aus Frankreich läuft durch Alexandria. Autos hupen, die Handyverbindung reißt ab. „Die Mutter“, schreit er, „ist eine Königin in ägyptischen Familien.“ Ein Krankenwagen mit Sirene rauscht vorbei, Dailleux schreit weiter: „Die Jungs vergöttern sie.“

Seine Bilder zeigen das: Kraftstrotzende, stolze Männer, die neben ihren Müttern doch nur wirken wie das, was sie sind – Söhne. Und Mütter, meist im Vordergrund, teils verschleiert, die eine Souveränität ausstrahlen, die keine Muskeln braucht.

Als Dailleux in Alexandria eine ruhigere Ecke gefunden hat, erzählt er: Diese Serie, „Mother and Son“, für die er nun beim World Press Photo Award ausgezeichnet wird, er hatte sie vor einigen Jahren schon einmal begonnen – und das Projekt abgebrochen. Zu persönlich, zu nah. Er sagt: Bei den Aufnahmen verhandelte er auch die Beziehung zu seiner Mutter neu. Als er vor ungefähr sechs Jahren einen zweiten Anlauf machte, sei jedes Bild ein emanzipatorischer Schritt gewesen. Wie eine Feldforschung innerhalb der eigenen Familie.

Aber warum Bodybuilder – und halbnackt? Dailleux lacht. Anders als in Frankreich würden ägyptische Mütter es ihren Söhnen selten verbieten, Steroide zu nehmen. „Die Jungs futtern das Zeug wie Popcorn“, sagt er. Muskeltraining sei in Mode. Je mehr Kraft, desto männlicher. „Das sehen fast alle so.“ Für seine Aufnahmen wollte er genau das: Männer, deren Körper Machtdemonstrationen sind.

„Mother and Son“ ist damit eine Art Gegenstück zu Dailleux’ vorheriger Arbeit, einer Serie über Eltern, die ihre Kinder während der ägyptischen Machtumwälzungen der vergangenen Jahre verloren haben. Auch hier sind seine Bilder schlicht, dokumentarisch, nichts wirkt inszeniert. Doch während „Mother and Son“ Momente liebevoller Intimität zeigt, sind sie bei den „Märtyrern der Revolution“ längst vergangen, sentimentale Erinnerung.

Dailleux lebt seit acht Jahren in Kairo, in Frankreich habe er es nicht mehr ausgehalten. In Alexandria traf er gerade das letzte Paar für „Mother and Son“. Bald soll ein Buch aus seinen Bildern entstehen. SEBASTIAN KEMPKENS

Ausstellung: Vom 7. Mai bis 9. Juni im Gruner & Jahr Pressehaus in Hamburg und vom 13. Juni bis 3. Juli im Willy-Brandt-Haus in Berlin