: Samenspender ante portas
HIPPEN EMPFIEHLT In „The Kids Are All Right“ geben Annette Bening und Julianne Moore ein ganz normal spießiges Paar
VON WILFRIED HIPPEN
Vor ein paar Jahrzehnten wäre diese Geschichte noch reine Science Fiction gewesen. Aber im kalifornischen Mittelstand gilt es heute offensichtlich schon als alltäglich, wenn ein lesbisches Paar als leibliche Eltern zwei Kinder großzieht. Die Frauen haben je ein Baby ausgetragen, und weil sie sich künstlich mit Samen des gleichen Spenders befruchten ließen, sind die Kinder genetisch Halbgeschwister. Die Tochter Joni ist inzwischen 18 Jahre alt, der Sohn Laser 15, und beide beginnen Fragen zu stellen. Ihre Mütter leben wie ein altes Ehepaar zusammen. Nic ist Ärztin und hat gerne alles schön ordentlich, Jules ist eine Träumerin und versucht seit einiger Zeit, sich als Landschaftsgärtnerin selbstständig zu machen. Die beiden haben sich ihr Leben bequem eingerichtet und können nicht verstehen, warum die Kinder sich plötzlich dafür interessieren, wer zumindest biologisch ihr Vater ist. Der sollte zwar eigentlich anonym bleiben, aber für zwei intelligente Teenager ist das heute kein Hindernis, und so steht bald Paul vor der Tür.
Dieser ist wie aus dem südkalifornischen Bilderbuch. Ein junggebliebener Späthippie, der sein eigenes Bio-Restaurant mit selbst angepflanztem Gemüse betreibt und scheinbar durch nichts zu erschüttern ist. Er findet es „cool“, plötzlich zwei fast erwachsene Kinder zu haben, deren Mütter miteinander verheiratet sind. Bald fahren Joni und Laser mit ihm auf seinem Motorrad herum und er sitzt mit seiner neuen Familie beim Abendessen. Und warum soll nicht Jules den Garten hinter seinem Haus neu gestalten? Und was ist so schlimm daran, wenn sich die beiden bei der sommerlichen Hitze nahe kommen und den Zeugungsprozess nachholen, den ihnen damals die medizinische Technik abnahm ?
Natürlich droht diese Untreue die ganze Familie zu zerstören, denn unter den liberalen Vorstellungen vom Zusammenleben sitzen die alten Ängste, Verletzlichkeiten und Leidenschaften. Die Pointe dieser Komödie besteht darin, dass Nic und Jules ein ganz normales, mit den Jahren ziemlich spießig gewordenes Paar sind.
Die Regisseurin Lisa Cholodenko macht sich hier ein wenig über den Lebensstil von Bildungsbürgern in Los Angeles lustig, aber weil sie offensichtlich selbst dazu gehört, ist ihr Ton eher sanft ironisch als satirisch. Der Kritiker des „New Yorker“ fragt sich dann auch spöttisch in bester Woody-Allen-Tradition, ob Cholodenko einschätzen kann, wie komisch ihre Dialoge für ein Publikum außerhalb von Kalifornien tatsächlich klingen. Aber weil Cholodenko ihre Figuren und ihr Milieu so gut kennt, wirkt ihr Film sehr entspannt und authentisch. Er ist intelligent erzählt, und so ist man gerne für eine Weile bei dieser seltsamen Familie zu Besuch. Hauptsache, den Kindern geht‘s gut!