SPÄTE ERKLÄRUNG
: Besser für die Blase

Aber das verbindet ja, sein Gegenüber so zu kopieren

„Was macht’n ihr da wieder fürn Quatsch in Berlin?“, begrüßt mich meine Schwester, als ich zu ihr reinkomme. „Da gibt’s jetzt Klos für die, die nicht wissen, ob sie Mann sind oder Frau?“ Frisch aus’m Zug gekippt und dann gleich so ’ne Frage. Kein Wunder, dass mir keine schlaue Antwort einfällt, jedenfalls nicht sofort. Und an ihren Stil muss ich mich auch erst wieder gewöhnen, dieses Ruppige, komplett mit Arme vor der Brust verschränken und anstarren und so. Kann ich auch, wenn ich will, hab ich mir aber abgewöhnt. Meine Schwester hat sich das nicht abgewöhnt und deshalb starrt sie mich jetzt an und fragt. Nur ’ne Antwort fällt mir nicht gleich ein; also liefere ich die jetzt einfach nach.

„Ja“, sag ich. „Gibt’s.“ Und dann verschränke ich auch die Arme vor der Brust und starre zurück. Das geht ganz automatisch beim Schwesternbesuch, kann ich nichts gegen machen. Aber dann wiederum verbindet das ja, sein Gegenüber so zu kopieren. Ist wohl wissenschaftlich erwiesen, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob da alle Gesten zählen, also auch Vogel zeigen und so. Aber ich zeig keinen Vogel, ich sag: „Wär doch blöd, wenn sie dich aus’m Männerklo jagen, bloß weil du mal pinkeln musst.“

„Ich geh ja wohl aber aufs Frauenklo.“ – „Nee, gehste nicht. Da starren sie dich an, als wärste vom Mars und fragen, was du hier willst.“ – „Tun sie nicht.“ – „Ja, aber wenn?“ Sie überlegt. „Geh ich eben gar nicht auf Klo“, sagt sie dann und guckt triumphierend. Ich guck auch triumphierend und sage: „Aha. Glaub ich dir nicht.“ „Hmm“, gibt sie zu. „Platzt mir die Blase.“ „Eben“, sag ich. „Und deswegen braucht’s Klos ohne anstarren. Ist besser für Blase, fürs Gesundheitssystem, für die Wirtschaft, für alles.“

„Na ja“, sagt meine Schwester. „Jetzt übertreibste.“

Ich denke das nicht, aber ist ja egal, weil damals beim Besuch ist mir die Antwort hier eh nicht eingefallen. Da kann sie ja auch übertrieben sein. JOEY JUSCHKA