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Archiv-Artikel

Krise des Prenzlmanns Segelyacht-Pullover

Bändchen symbolisieren Paarungswillen

Die letzten Jahre genoss man die an Totenstarre grenzenden Aktivitäten im P-berg beinahe. Die oftmals gescholtenen Neuberliner sind endlich angekommen. Ihre Kinder gehen hier nun zur Schule, und der eine oder andere Sprössling ist zum Schrecken des Vaters sogar Fan von Hertha BSC! Das Leben wirkt verplant, und Berlin erscheint den Zugezogenen inzwischen doch einigermaßen akzeptabel. Doch nun beginnen die ersten Gegenbewegungen. Sie sind noch sehr zaghaft und vorsichtig, aber durchaus bemerkbar.

Der eine oder andere Mann trennt sich wegen vorgezogener Midlifecrisis mit 35 schon wieder von Frau und Kind, was dazu führt, dass alleinstehende Mütter plötzlich in den Wedding ziehen müssen. Schließlich will man nicht weg von seinem angestammten Spielplatz, kann sich aber die Miete am Arkonaplatz nicht mehr leisten. Viele hadern mit der Tatsache, als alleinstehende Mütter keine Männer mehr kennen zu lernen. Neuerdings bindet man sich deswegen als Erkennungszeichen ein grünes Bändchen an den Kinderwagen, um seine Paarungswilligkeit zu demonstrieren, was einen Bekannten dazu animierte, sämtliche Kinderwagen in seinem Hausflur mit diesen grünen Schleifchen zu verzieren.

Das ist die Gentrifizierung von heute. Die ehemals Zugezogenen werden wieder verdrängt, es kommen die, die schon immer Segelyacht-Pullover getragen haben, selbst in den Neunzigern.

Die neue Lebensfreude verspürenden und nun aller Stricke entledigten Männer cruisen dann erst mal mit der Harley durch Südamerika, lassen sich „alles noch mal durch den Kopf gehen!“, legen die Firma vorläufig auf Eis und kehren vor dem Eintritt in die Altersteilzeit meist doch reumütig zurück.

Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen sind übrigens rein zufällig und in keinster Weise vom Autor beabsichtigt.

JURI STERNBURG