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Archiv-Artikel

Ein Duell, zwei Verlierer

SPD-PARTEITAG Fraktionschef Saleh tritt doch nicht gegen Parteichef Stöß an. Ihr Machtkampf hat die SPD tiefer in den Abgrund gestürzt

Dass einige Kreisverbände heillos zerstritten sind, liegt auch daran, dass Klüngelrunden nach wie vor über der Parteiarbeit stehen

VON UWE RADA

Jan Stöß kann aufatmen. „Dafür war es höchste Zeit“, kommentierte der Landeschef der SPD den Verzicht seines Konkurrenten Raed Saleh. Der Fraktionsvorsitzende hatte am späten Sonntagnachmittag bekannt gegeben, beim Landesparteitag am 17. Mai nicht gegen Amtsinhaber Stöß anzutreten. Jener sieht sich nun bestätigt: Saleh habe eingesehen, dass er nicht genug Rückhalt in der Partei habe, sagte er im Inforadio des RBB.

Auf den ersten Blick bleibt bei den Sozialdemokraten zunächst alles beim Alten. Stöß wird weiterhin Landesvorsitzender sein, Saleh Fraktionschef, und beide gelten nach wie vor als die aussichtsreichsten Kandidaten für eine Spitzenkandidatur ihrer Partei für das Amt des Regierenden Bürgermeisters.

Auch Klaus Wowereit muss seine Strategie nicht ändern. Ende 2015, Anfang 2016 will der Regierende Bürgermeister verkünden, ob er bei der Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2016 noch einmal antritt. Hätte Saleh im Mai den Landesvorsitz erobert, wäre eine Vorentscheidung für die Thronfolge gefallen – und Wowereit hätte sich womöglich schneller erklären müssen.

Schelte aus der Partei

Doch dieser erste Blick hält der Realität nicht stand. Tatsächlich hat der Machtkampf, der nun keiner gewesen sein soll, die Berliner SPD noch tiefer in den Abgrund gestürzt. „Es ist schon keine gute Art, ein paar Wochen vor dem Parteitag sich auf einmal selbst ins Spiel zu bringen“, hatte Walter Momper die Spekulationen um eine Kampfkandidatur von Saleh kommentiert. Berlins ehemaliger Regierungschef Momper sah den Fraktionschef deshalb schon vor dessen Rückzug von der Kandidatur geschwächt. Seit Sonntag dürfte dies erst recht gelten.

Aber auch Stöß kann sich nicht als Sieger der Auseinandersetzung fühlen. Zwar versuchte der Landesvorsitzende, der vor zwei Jahren selbst bei einer Kampfkandidatur gegen den damaligen SPD-Chef Michael Müller ans Ruder gekommen war, den Blick nach vorn zu richten. Jetzt müsse sich die SPD auf den Europa-Wahlkampf und den Tempelhof-Volksentscheid am 25. Mai konzentrieren. Von diesen beiden wichtigen Themen dürften „innerparteiliche Ränkespiele“ nicht ablenken. Im Übrigen, so Stöß zum RBB, müsse man als Parteivorsitzender „manchmal wie ein Baum stehen, auch wenn sich die anderen daran reiben“.

Tatsächlich aber ist auch der Landeschef geschwächt. So ist es ihm in den vergangenen zwei Jahren seit seinem Amtsantritt nicht gelungen, Konflikte zu moderieren und die Partei zu einen. Dass die Kreisverbände Tempelhof-Schöneberg und Pankow heillos zerstritten sind, liegt auch daran, dass die Klüngelrunden nach wie vor über der Parteiarbeit stehen. Viele, vor allem jüngere Sozialdemokraten wollen das nicht mehr mitmachen. Eine Erfolgsbilanz sieht jedenfalls anders aus.

Zwar hat Stöß den Angriff von Saleh vorerst abwehren können – gewonnen hat er ihn nicht. Große Kreisverbände wie Tempelhof-Schöneberg und Charlottenburg-Wilmersdorf haben sich gegen Saleh entschieden, aber nicht für Stöß. Das wundert auch nicht, schließlich rechnet sich die mit einer knappen Mehrheit wiedergewählte Kreischefin von Tempelhof-Schöneberg, Dilek Kolat, selbst Chancen aus, Klaus Wowereit zu beerben. Und in Charlottenburg-Wilmersdorf hat Michael Müller noch großen Rückhalt. Beide werden deshalb versuchen, die Nachfolgefrage möglichst lange offenzuhalten – um dann bei einem eventuellen Mitgliederentscheid selbst den Hut in den Ring zu werfen.

Eine Art Burgfrieden

Bis dahin aber soll bei der SPD wohl Burgfrieden herrschen. Zwar betonte Saleh am Sonntag, er würde sich wünschen, dass die Parteispitze für inhaltliche Konzepte wenigstens so viel Zeit aufbringt wie für öffentliche Nachfolgedebatten. Doch sein Lager werde nun für die Wahl von Stöß werben. „Er hat meine volle Unterstützung“, teilte Saleh mit.

Auch Stöß will sich nun dafür einsetzen, dass beide Lager wieder miteinander ins Gespräch kommen. Kritik sollte nicht öffentlich, sondern zunächst in den Parteigremien geäußert werden. Nun müssten sich alle „wieder zusammenraufen“, so Stöß.

Dennoch bleibt etwas hängen nach dem vorerst ausgefallenen Showdown. In den Medien war die vorherrschende Meinung, beide Kontrahenten hätten ihre Chance gehabt – und beide hätten sie vergeigt. Spätestens wenn Stöß am 17. Mai ein eher bescheidenes als überzeugendes Ergebnis einfährt, wird der Machtkampf wieder aufflammen. Gewonnen hat in den vergangenen Wochen also keiner der Kontrahenten. Verloren aber haben beide.

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