: Grüne: Möhnesee ist flüssige Abfalldeponie
Die Grünen vermuten nach Datenanalysen weitere Quellen für PFT-verseuchtes Trinkwasser im Umkreis der Möhnetalsperre. Das Umwelt-Ministerium glaubt dagegen, das Problem im Griff zu haben
DÜSSELDORF taz ■ Nach Analysen der Grünen-Landtagsfraktion geht die Belastung von Ruhr und Möhne mit der Industriechemikalie PFT auf mehr Quellen als die bisher bekannten drei zurück. „Es muss im Umfeld des Möhnesees weitere geben“, sagte Johannes Remmel, umweltpolitischer Sprecher der Grünen, gestern. Das Landesumweltministerium sieht bislang mit PFT-verschmutztem Klärschlamm gedüngte Felder im Hochsauerlandkreis als Hauptursache für die Belastung des Trinkwassers an.
Hinweise auf neue Ursachen liefert nun eine so genannte Frachtenanalyse der Grünen. Danach verlassen deutlich höhere Mengen des als zumindest krebsbegünstigend geltenden Stoffes PFT die Möhnetalsperre als hineinfließen. „72 Gramm PFT gelangen täglich in den Möhnesee, aber über 300 Gramm fließen heraus“, sagte Remmel. Auf einen Monat hochgerechnet sind das etwa 2,15 Kilogramm PFT, die über Zuflüsse ihren Weg in die Talsperre finden, während bis zu 10 Kilogramm heraus kommen. Die Möhnetalsperre sei somit eine „flüssige Sonderabfalldeponie“, stellte Remmel fest. Es müsse Quellen im Umkreis des Sees geben. Welche das genau sein könnten, sei Spekulation – Felder vielleicht oder alte Kläranlagen. „Das aufzuklären wäre der Job des Ministeriums“, sagte Remmel.
Doch bisher zeigt das Ministerium von Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) nach Ansicht des Grünen-Politikers ein anderes Verhalten: Entweder wolle das Umweltministerium von einem größeren Problem ablenken oder man habe das eigentliche Problem noch nicht erfasst. Das Land konzentriere sich vor allem auf die Quellen in Brilon, Rüthen und Bestwig. Doch die bekannten drei Quellen seien höchstens für 22 bis 23 Prozent der Gesamtbelastung verantwortlich, sagte Remmel.
Im Ministerium bleibt man unterdessen bei der alten Version. „Die drei von uns benannten Quellen dürften für etwa 90 Prozent der Gesamtbelastung verantwortlich sein“, sagte Ministeriumssprecher Markus Fliege der taz. Auf die Erkenntnisse der Grünen reagiert man im Hause Uhlenberg gelassen. „Wir glauben, das Problem gut um Griff zu haben“, sagte Fliege.
Eine Million Euro hat die Landesregierung für den Schutz von Möhne und Ruhr zur Verfügung gestellt. Damit wird ein Drainagesystem finanziert, mit dem Sicker- und Oberflächenwasser auf dem verseuchten Maisacker bei Brilon aufgefangen werden soll. Bevor es dann in die Flüsse gelangt, soll das Wasser mit Aktivkohlefiltern gereinigt werden.
Der Hochsauerlandkreis hat gestern Ingenieure und Gutachter mit der Detailplanung zur Sanierung des Geländes beauftragt. Der Düngerhersteller GW Umwelt hatte eine Frist zur Beseitigung der Schäden verstreichen lassen. Die Firma hatte lediglich 1.000 Tonnen bisher noch nicht verwandten Düngers von den Feldrändern einsammeln und in einem Kraftwerk im sauerländischen Werdohl verbrennen lassen. Eine nach Ansicht von Umweltschützern ungeeignete Methode. „Den Dünger durch Schornsteine zu jagen ist völlig abstrus“, sagt Dirk Jansen vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Das PFT werde dabei nicht vollständig zersetzt – „das wird dadurch sogar noch großflächig verteilt“. Die Verbrennung sei zwar inzwischen gestoppt, dennoch sei zu befürchten, dass die Praxis fortgesetzt würde.
Nach Einschätzung des BUND bleibt nur ein Weg, um das Problem dauerhaft zu lösen. „Der ganze Mist muss abgetragen und als Sondermüll entsorgt werden.“ KATHARINA HEIMEIER