Rot-Rot beschließt Kneipkur

SPD und Linkspartei wollen Nichtraucher stärker schützen – auch in Kneipen und Gaststätten. Die Gesundheitssenatorin will Trennwände, Fachpolitiker Rauchverbote. Die Wirte fürchten Bürokratie

VON RICHARD ROTHER
UND ULRICH SCHULTE

Der wertvollste Einwurf kam von Claus Peymann, dem Intendanten des Berliner Ensembles. In allen Stücken, in denen Pfeife, Zigarre oder Zigarette vorgeschrieben sei, werde weiter geraucht, teilte Peymann gestern mit. Und fügte hinzu: „Werktreue muss sein, auch beim Nikotin.“ Wenigstens ein Ort wird verfolgten Rauchern also auch in Zukunft Zuflucht bieten: die Bühne des Theaters am Schiffbauerdamm.

Im Rest der Stadt aber steht der Qualm auf der Kippe. Die rot-rote Koalition hat am Montagabend vereinbart, ein Nichtraucherschutzgesetz zu verabschieden. Es wird in öffentlichen Gebäuden und Krankenhäusern das Rauchen verbieten. Auch die Wirte müssen ihre Gäste künftig vor Zigarettenrauch schützen. „Das heißt, dass alle Gaststätten aufgefordert sind, getrennte Nichtraucherbereiche zu schaffen“, erläuterte Gesundheitssenatorin Heidi Knake-Werner (Linkspartei) gestern. Es gehe aber nicht um ein „generelles Rauchverbot“.

Wie und wann die vereinbarte Klausel im Koalitionsvertrag in ein Gesetz gegossen wird, steht noch nicht fest. Knake-Werner stellt sich zum Beispiel Trennwände zwischen Raucher- und Nichtraucherplätzen in Restaurants vor. Ab einer Restaurantgröße von 75 Quadratmetern seien eigene Räume für Raucher denkbar, ergänzt ihre Sprecherin. „Wenn das einem Gastwirt zu teuer ist, wird sein Restaurant komplett rauchfrei.“ Für kleine Gaststätten, etwa die typische Eckkneipe, müssten aber Ausnahmeregelungen gelten.

Für tausende Berliner Wirte bedeutet das beträchtliche Investitionen – entsprechend ablehnend sind die Reaktionen. „Die Koalitionäre wollen nur von den eigentlichen Problemen Berlins ablenken“, sagt Ingrid Hartges. Die Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes verweist auf die freiwillige Selbstverpflichtung, die die Branche mit dem Bundesgesundheitsministerium eingegangen ist. „Wir haben Anspruch auf politische Verlässlichkeit.“

Wenig zielführend sei es, wenn jedes Bundesland eigene Regelungen erließe, so Hartges. In Berlin gebe es schon über 330 Gaststätten mit ausgewiesenen Nichtraucherzonen, bundesweit ein Spitzenplatz. Auch IHK-Sprecher Holger Lunau hält von einer „Sonderregelung“ gar nichts. Die Stadt profitiere vom Tourismus. Mit einem Berliner Nichtrauchergesetz würden nur die Gastronomen bürokratisch belastet.

Wie eine praxistaugliche Lösung aussehen könnte, wissen SPD und Linkspartei selbst noch nicht genau. Im Koalitionsvertrag steht nur ein kurzer Passus, den nun jeder auf seine Art auslegt. Während Knake-Werner an Trennwände glaubt, schließt SPD-Umweltexperte Daniel Buchholz auch ein Komplettverbot in manchen Gaststätten nicht aus. „Wir setzen uns dafür ein, dass es ein flächendeckendes Angebot von Gaststätten gibt, die gänzlich rauchfrei sind – oder in denen rauchfreie Zonen eingerichtet werden.“

Linkspartei-Gesundheitsexperte Wolfgang Albers hält dagegen Umbauten in Restaurants für Unsinn. Vielen Kneipen hätten dafür nicht die nötigen Voraussetzungen, sagt er. „Außerdem sucht sich der Rauch seinen Weg.“ Sein Fazit: Wenn, dann komplett rauchfrei – und klare Regeln, wo dies gelten soll, zum Beispiel in Speiserestaurants.

Sowohl SPD als auch Linkspartei glauben nicht an Finanzeinbußen der Gastwirte. „Erfahrungen aus anderen EU-Ländern wie Irland zeigen, dass ein Rauchverbot sogar neue Gäste anzieht. Und die Raucher gehen einfach raus“, sagt Buchholz. Und für kleine Gaststätten, etwa die typische Eckkneipe, will Rot-Rot sowieso Ausnahmen zulassen. Laut Buchholz könnte das Nichtraucherschutzgesetz frühestens Mitte nächsten Jahres in Kraft treten, die Gesundheitsverwaltung will sich auf keinen Termin festlegen. Bereits 2004 hatte der Senat alle Schulen zu rauchfreien Zonen erklärt.

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