: Allein gelassen
betr.: „Wir sind Wixer“, taz vom 26. 10. 2006
Die unbequeme Wahrheit, die offenbar niemand hören will, spreche ich als Major d. R. so aus: Im Krieg kommen andere Dinge vor als im Frieden. Das Beschweigen dieser Wahrheit führt erst zum kollektiven Entsetzen. Ich erlaube mir die Freiheit einer anderen Perspektive: In der Verdrängung der Tatsache, dass solche makaberen Szenen unter Kriegsbedingungen und enormen Anspannungen persönlicher Gefahr für Leib und Leben vorkommen können, liegt die Verlogenheit einer Gesellschaft, die unsere Soldaten solchen Situationen aussetzt – und sie dort allein lässt. Wer hat sie aufgeklärt über den politischen Kontext und mögliche Folgen solchen Fehlverhaltens? Das war dummes Verhalten junger Soldaten, die man jetzt nicht verteufeln, sondern ihnen deutlich machen sollte, dass hier Dienstvergehen vorliegen, weil unter anderem das Ansehen der Bundeswehr und Deutschlands geschädigt wurde. Insofern gebe ich dem Vorsitzenden des Bundeswehrverbandes Recht. Ein in jeder Phase von Kampfhandlungen sauberer Krieg ist jedoch Illusion!
Mit mehr Sachlichkeit in dieser Debatte und weniger Emotion, mehr Respekt und mehr Gerechtigkeit denen gegenüber, die tagein, tagaus für die Demokratie und Freiheit Afghanistans am Hindukusch im ureigensten Wortsinn ihren Kopf hinhalten, kämen wir ebenso weiter wie mit einer Diskussion über die Frage, wie lange wir uns solch unappetitliche Fotos noch zumuten wollen.
Geschmacklos ist in diesem Zusammenhang die realitätsferne Einlassung von Claudia Roth, in der Bundeswehr gebe es einen verbreiteten „Kadavergehorsam“. Angesichts der ekelhaften Bilder nimmt unsere verlogene Gesellschaft an solchen Verbalentgleisungen schon gar keinen Anstoß mehr. Die politische Instrumentalisierung dieser Bilder ist genauso unerträglich wie ihre Existenz. LOTHAR KOPP, Berlin