: Hauptstadt will qualmfrei werden
Der Berliner Senat will mit einem Gesetz das Rauchen in öffentlichen Einrichtungen verbieten. Auch in Gaststätten und Kneipen müssen Raucher künftig in Extra-Räumen qualmen. Mit der Anti-Kippen-Revolution ist die Hauptstadt dem Bund weit voraus
VON GEORG LÖWISCH UND ULRICH SCHULTE
Den RaucherInnen der Hauptstadt dürften angesichts des Plans der rot-roten Landesregierung die Augen tränen: Der Senat unter Klaus Wowereit (SPD) will ein Nichtraucherschutzgesetz einführen, das das Qualmen in öffentlichen Gebäuden wie Schulen, Behörden oder Krankenhäusern verbietet. Mehr noch: Auch in den Berliner Gaststätten möchten SPD und Linkspartei die Zigaretten-Liebhaber in Extra-Räume verbannen – oder gleich ganz vor die Tür.
Der Berliner Vorstoß eines rigorosen Gesetzes ist bundesweit einzigartig. Andere Länder wie Bremen geben zwar Willenserklärungen ab – wollen aber noch die Querelen um ein vom Bund gesteuertes Rauchverbot abwarten. In Berlin bemüht man sich, dieses böse Wort zu vermeiden: „Es geht nicht um ein generelles Rauchverbot, sondern um einen wirksamen Nichtraucherschutz“, sagte die Gesundheitssenatorin Heidi Knake-Werner (Linkspartei) gestern. Ihre Verwaltung will die Hauptstadtwirte zu Schutzmaßnahmen für Nichtraucher verdonnern. Gaststätten ab einer Größe von 75 Quadratmetern müssten eigene Räume für Raucher einrichten oder die Luft mit Ventilatoren und Trennwänden sauber halten, erläutert eine Sprecherin.
Faktisch bedeutet das für viele Wirte ein Rauchverbot. Die Sprecherin formuliert es lieber so: „Der Gastwirt muss den größten Teil seiner Plätze für Nichtraucher anbieten. Wenn ihm die Umbauten dafür zu teuer sind, wird das Restaurant eben komplett rauchfrei.“ Was im Detail in dem Gesetz stehen wird, ist aber noch unklar – bisher hat sich das rot-rote Bündnis nur einen schwammigen Passus in den Koalitionsvertrag geschrieben.
Mit dem Gesetz, das frühestens in einem Jahr in Kraft tritt, setzt Rot-Rot seinen Kurs des Nichtraucherschutzes fort. Mitte 2004 erklärte der Senat alle Schulen zu rauchfreien Zonen, in anderen Landeseinrichtungen sollen Kippen ab Ende 2007 draußen bleiben.
Die Länder können das Rauchen in Restaurants über das Gaststättenrecht verbieten, für das sie allein verantwortlich sind. Der Bund ist allerdings für den Schutz der Arbeitnehmer zuständig und dafür, Gesundheitsgefahren von der Bevölkerung abzuwehren. Die große Koalition im Bund verhandelt derzeit über Rauchverbote in der Gastronomie, aber auch in Ämtern, Schulen und Unis. Herauskommen soll ein Gesetzentwurf.
Eine Arbeitsgruppe mit je drei Politikern von Union und SPD hat sich bereits zweimal getroffen. Doch über ein Rauchverbot in Gaststätten streitet sie immer noch. Einig ist sich die Arbeitsgruppe bisher nur darin, den Qualm aus allen öffentlichen Einrichtungen zu verbannen.
Die Anti-Qualm-Initiative im Bundestag fußt auf einem fraktionsübergreifenden, radikalen Antrag des SPD-Abgeordneten Lothar Binding. Er forderte ein hundertprozentiges Rauchverbot in Gaststätten und Ämtern. Den Antrag haben gut 140 Parlamentarier von SPD, Linksfraktion und einige wenige aus CDU/CSU unterschrieben. Die Grünen sind für absolute Rauchverbote, die meisten Unionsabgeordneten und die FDP aber dagegen.
Im September drohte Binding, seinen Antrag im Bundestag zur Abstimmung zu stellen: Rot-Rot-Grün minus einige Tabaksozis plus einige CDU/CSU-Rauchverbieter – es wäre knapp geworden. Die Union bat, doch noch unter Koalitionären eine Lösung zu finden. In die Arbeitsgruppe hat sie jedoch ihre Drogenbeauftragte, eine Qualmbekämpferin, nicht entsandt. Unter den Tabakgegnern der SPD wächst der Unmut. „Wir werden den Binding-Antrag wieder rausholen, wenn die Schmerzgrenze überschritten wird“, heißt es in SPD-Kreisen.