Mit Armeeeinheiten gegen die Mafia

Die italienische Regierung denkt darüber nach, Truppen nach Neapel zu schicken. Sie sollen den wieder aufflammenden tödlichen Krieg zwischen Mafia-Klans unterbinden. Derartige frühere Experimente sind alle restlos gescheitert

Ein erstes Signal soll die Entsendung von 1.000 zusätzlichen Polizisten sein

AUS ROM MICHAEL BRAUN

Die italienische Regierung erwägt die Entsendung von Armeeeinheiten nach Neapel, um der Welle von Mafia-Morden Einhalt zu gebieten. Heute will Ministerpräsident Romano Prodi in die süditalienische Millionenstadt reisen und vor Ort über ein Maßnahmenpaket diskutieren, das einen neuen Krieg der Camorra-Banden verhindern soll.

Zwölf Tote in zehn Tagen – dies war bis zum Mittwoch die blutige Bilanz. Alleine am Dienstag wurden drei Männer erschossen, die in Verbindung zu Camorra-Clans gestanden haben sollen, und am Montag hatte die Exekution eines Mafioso auf offener Straße mitten im Zentrum von Neapel für Entsetzen gesorgt. Bei der Schießerei war eine unbeteiligte Frau verletzt worden.

Polizei und Geheimdienste fürchten, dass sich mit den Bluttaten ein neuer Krieg in den Reihen der neapolitanischen Mafia ankündigt. Der letzte Bandenkrieg im Norden der Stadt hatte vor zwei Jahren weit über hundert Tote gefordert, doch bisher war das Jahr 2006 mit „nur“ gut 60 Toten ein relativ gutes Jahr gewesen. Die Gewalttaten der vergangenen Tage sprechen nun dafür, dass die „pax camorrista“ in Gefahr ist – und dass der nächste Show-down in den Altstadtvierteln droht. Einer der jetzt Erschossenen war mit einem der wichtigsten dortigen Mafiabosse verwandt. Vor diesem Hintergrund machen sich nicht nur Oppositionspolitiker wie der Lega-Nord-Vertreter Roberto Calderoli für die Entsendung von Armeeeinheiten nach Neapel stark. Auch Justizminister Clemente Mastella favorisiert diese Lösung.

Innenminister Giuliano Amato dagegen lehnt den Militäreinsatz ebenso ab wie Antonio Bassolino, der Chef der Region Kampanien, deren Hauptstadt Neapel ist. Der zur Prodi-Koalition gehörende Bassolino fragte nur: „Was sollen die Soldaten eigentlich hier?“ Schon früher habe es in Kampanien ebenso wie in Sizilien oder Sardinien immer wieder einmal solche Militäraktionen im Kampf gegen die Kriminalität gegeben, ohne dass diese besondere Resultate gehabt hätten.

Bedeckt hielt sich zunächst Regierungschef Romano Prodi. Er erklärte, diesmal könne es nicht um Aktionen gehen, „die unternommen werden, um die öffentliche Meinung für ein paar Tage oder Monate zu beruhigen“. Stattdessen müsse jetzt „der permanente Kampf für die Sicherheit der Bürger“ aufgenommen werden.

Ein erstes Signal soll die Entsendung von 1.000 zusätzlichen Polizisten in die Stadt sein. Darf man dem Leitenden Staatsanwalt von Neapel, Paolo Mancuso, glauben, so wäre der Kampf gegen die Kriminalität mit noch einfacheren Mitteln zu verbessern. Seiner völlig verschuldeten Staatsanwaltschaft fehlten die Gelder, um alle möglichen Rechnungen zu bezahlen, so Mancuso. „Und wenn wir ein Privatunternehmen wären, hätten wir schon längst Bankrott anmelden müssen.“

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