: Linssen, der geizige Milliardär
Opposition und DGB wollen eine sozialere Etatpolitik, da das Land NRW mehr Steuern als erwartet einnimmt. Doch Finanzminister Linssen und die schwarz-gelbe Koalition sparen weiter
VON MARTIN TEIGELER
Nach drei Jahrzehnten in der nordrhein-westfälischen Landespolitik hat Helmut Linssen eine neue Lieblingsrolle gefunden. Der Ex-Oppositionsführer, Ex-Generalsekretär und Ex-Spitzenkandidat gibt seit der Landtagswahl 2005 den CDU-Finanzminister und seit Neuestem auch den geizigen „Milliardär“. Dank sprudelnder Steuereinnahmen hat der oberste Kassenwart seine Sparziele früher erreicht als erwartet. Dennoch will Linssen weiter sparen.
„Unser Ziel, die Landesfinanzen wieder in Ordnung zu bringen, werden wir weiterhin konsequent verfolgen“, sagt Linssen und sitzt auf seinen neuen Einnahmen. Im laufenden Jahr erwartet der Minister 36,4 Milliarden Euro an Steuereinnahmen – 1,2 Milliarden Euro mehr als bei der Verabschiedung des Haushalts 2006 geplant. Dieses Geld und die beim Länderfinanzausgleich eingesparten 280 Millionen Euro werden voll zur Senkung der Neuverschuldung eingesetzt, so der Finanzchef. Die Neuverschuldung des Bundeslandes könne so um 1,5 Milliarden Euro auf gut 4,1 Milliarden Euro sinken.
In einem Nachtragshaushalt soll der Landtag Linssens Pläne durchwinken. Erstmals seit vielen Jahren bringe eine Landesregierung einen Nachtrag wegen geringerer und nicht wegen höherer Schulden ein, verkündet der Minister stolz. Tatsächlich brachten Linssens SPD-Amtsvorgänger Nachtragshaushalte meist ein, um neue Milliarden-Schulden aufzunehmen – wegen der schlechten Konjunktur und einbrechender Steuereinnahmen. Das hat sich geändert. Die Wirtschaft wächst wieder, die Arbeitslosigkeit sinkt, die Steuern fließen. Ökonomen führen den Aufschwung auch auf die Reformpolitik von Rot-Grün zurück – aber dafür kann sich die heutige NRW-Landtagsopposition nichts kaufen.
Angesichts der steigenden Steuereinnahmen fordert der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) die Landesregierung zur Umkehr auf. „Der strikte Sparkurs verursacht Flurschäden in großem Ausmaß“, sagt DGB-Landeschef Guntram Schneider. Einerseits konsolidiere die Landesregierung den Landeshaushalt auf Kosten der Kommunen, andererseits werde bei Kindertagesstätten, Weiterbildung und Jugendhilfe keine nachhaltige Finanzierung bereitgestellt. Auch SPD-Finanzexpertin Gisela Walsken will Linssen dazu bringen, „die Kürzungen im Kinder- und Jugendbereich zurückzunehmen“. Zudem solle Linssen auf die geplanten Belastungen der Kommunen verzichten.
„Wir haben kein Geld für Begehrlichkeiten“, antwortet der Minister und betont die negativen Gesamtzahlen. Trotz der Mehreinnahmen habe NRW 113 Milliarden Euro Schulden; das Land zahle dafür rund 4,6 Milliarden Euro Zinsen im Jahr 2006. „Wir machen längst noch keine generationengerechte Haushaltspolitik“, sagt auch der CDU-Haushaltspolitiker Volkmar Klein. Es würden weiter hohe Schulden aufgenommen – auf Kosten künftiger Generationen. „Solange dies so ist, müssen wir weitersparen“, so der Landtagsabgeordnete. Es müsse Schluss sein mit einer Politik, die den Handlungsspielraum zukünftiger Politik durch hohe Schulden- und Zinslasten einschränke.
In der schwarz-gelben Koalition läuft ein regelrechter Wettkampf um die Kürzungspolitik. „Die Sparappelle des Finanzministers werden offenbar nicht in allen Ministerien richtig ernst genommen“, kritisierte FDP-Fraktionschef Gerhard Papke. Die CDU forderte die Liberalen daraufhin auf, neue Sparvorschläge zu machen.
Nächste Etappe der Kürzungskoalition: Im Herbst soll der Haushalt 2007 beschlossen werden. Finanzminister Linssen will dabei einen verfassungskonformen Haushalt vorlegen – mit einer Neuverschuldung von „nur“ noch 2,8 Milliarden Euro. Damit würde das Land weniger Geld für Kredite als für Investitionen ausgeben und so die Vorgaben der Landesverfassung einhalten.