: Die Gelassenheit in der Nichtraucherzone
Das Kreuzberger Café Hannibal hat freiwillig eine nikotinfreie Zone eingerichtet. Bei den Gästen kommt das gut an. Vom staatlichen Rauchverbot,das der Senat plant, halten sie aber nichts. Der Wirt würde im Zweifelsfall komplett auf qualmfrei umstellen. Denn Lüftungsanlagen sind ihm zu teuer
von Nina Apin
Am frühen Abend ist das Hannibal zur Hälfte gefüllt. An den großen Holztischen links vom Tresen sitzen ein paar frühe Esser, im schummrigen hinteren Teil lümmeln sich junge Leute auf Sofas, trinken Milchkaffee und Bier. Durch die großen Fenster blickt man direkt auf den Görlitzer Bahnhof. Die Musik ist laut, die Gäste jung, am Eingang bewacht ein großes Metallkrokodil die Szenerie: eine typische Kreuzberger Kiezkneipe.
Erst auf den zweiten Blick bemerkt man die Kärtchen, die darauf hinweisen, dass hier nicht geraucht werden darf. Was der rot-rote Senat künftig in allen Kneipen und Restaurants der Stadt sehen will, ist hier längst Wirklichkeit – zumindest an den hinteren Tischen. Ein Torbogen bildet eine symbolische Trennung zum Rest des Cafés. Bisher sitzt nur ein einziger Gast in der Nichtraucherzone, die anderen fünf Tische sind leer.
„Das Verhalten der Gäste ist unberechenbar“, sagt Geschäftsführer Mirko Moser. „Wann die Nichtraucher kommen, wann sie wegbleiben und wer sie sind, lässt sich schwer abschätzen.“ Doch eines kann Moser mit Sicherheit sagen: „Der Nichtraucherbereich wird sehr gut angenommen.“ Für den Sonntagsbrunch und bei Familien mit Kindern sind die rauchfreien Plätze äußerst begehrt, aber auch das Abendpublikum ist dankbar dafür, zur Abwechslung mal nicht vollgeräuchert zu werden. „Es gab Stammgäste, die wahre Luftsprünge gemacht haben“, berichtet der Geschäftsführer.
Eigentlich war die Einführung der rauchfreien Zone ein Experiment. Moser und die Inhaberin sind beide Nichtraucher. Nach den alkoholorientierten Abenden während der WM hatten sie die Nase voll vom dicken Qualm, besonders während der Essenszeiten. Im September beschlossen sie deshalb, probeweise die Raucher von knapp der Hälfte aller Plätze zu verbannen. Die Grenze wird flexibel gestaltet, je nach Bedarf. „Wenn alles voll ist, fragen wir schon mal die Nichtraucher, ob es sie stört, wenn am Nebentisch geraucht wird.“ Zwischenwände oder aufwändige Lüftungssysteme, wie sie der Senat künftig verlangen will, sind den Hannibal-Betreibern zu teuer, eine Zwei-Klassen-Kneipe würde auch schlecht ankommen beim Publikum, meint Moser. Sollte ein Rauchverbot in Berlin kommen, würde man es auch mal ganz ohne probieren, sagt der Geschäftsführer. „Das wäre hier im Kiez allerdings einmalig.“ Dabei ist das Hannibal in der Kneipenmeile um den Görlitzer Bahnhof schon jetzt ein seltener Lichtblick für Nichtraucher.
„Das mit dem Rauchen und Nichtrauchen wird viel zu eng gesehen“, finden auch Barbara und Sven. Die Friedrichshainerin und der Weddinger sitzen auf einem der Sofas, das gerade noch zum Raucherbereich gehört. Während sie auf ihr Essen warten, zündet Barbara sich erst einmal eine Zigarette an. Sven raucht nicht, er würde eigentlich lieber einen Tisch weiter drüben sitzen, aber Barbara zuliebe hält er es auch dort aus.
Den neuen Nichtraucherbereich finden beide grundsätzlich super, ein generelles Rauchverbot für Kneipen lehnen sie aber ab. „Ich möchte zum Rauchen nicht rausgehen müssen“, sagt Barbara. Auch Sven fände Regeln blöd, die sich in ihr entspanntes Raucher-Nichtraucher-Verhältnis einmischen. „Im Restaurant verzichtet sie ohnehin freiwillig aufs Rauchen, hier muss ich halt durch“, sagt der Weddinger pragmatisch.
Auch die 26-jährige Lisa, die mit Buch und Wein im Nichtraucherbereich sitzt, hat eine undogmatische Einstellung. Sie ist eigentlich Raucherin, trotzdem sitzt sie lieber in der besseren Luft und verkneift sich die Zigarette für ein paar Stunden. „Ich bin da etwas zwiegespalten“, gibt sie zu. Die ehemalige Kreuzbergerin lebt inzwischen in Wien und ist nur zu Besuch im Hannibal. Wiener Kaffeehäuser mag sie sich rauchfrei gar nicht vorstellen, „natürlich ist Rauchen ungesund und dumm, aber es gehört irgendwie zum Flair“. Von einem gesetzlichen Rauchverbot hält Lisa gar nichts. Der Staat solle lieber Geld für Präventionskampagnen ausgeben, findet sie. „Es ist wichtig, junge Leute vom Rauchen abzuhalten. Aber 40-jährige Raucher umzuerziehen ist nicht Aufgabe des Staates.“
Simone sieht das ein bisschen anders. Die überzeugte Nichtraucherin wünscht sich für Berlin Verhältnisse wie in New York: totales Rauchverbot in Kneipen, Bars, Restaurants und Clubs. „Ich sehe nicht ein, warum ich jedes Mal mit stinkenden Haaren nach Hause gehen soll“, sagt sie. Dennoch sitzt sie mit ihrem Freund Matz in der gemütlichen Ecke am Fenster – mitten im Raucherbereich. Die neue Nichtraucherzone haben die beiden gar nicht bemerkt. Nach hinten wechseln wollen sie trotzdem nicht – aus Trotz. „Hier ist es viel schöner“, schmollt Simone. „Wenn ich als Nichtraucherin in den ungemütlicheren Teil gehen muss, fühle ich mich diskriminiert.“