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Archiv-Artikel

Geld macht Rot-Rot glücklich

Steuererhöhungen und Aufschwung sei Dank: Im Koalitionsvertrag vertraut Rot-Rot auf höhere Einnahmen, um soziale Einschnitte zu vermeiden. CDU, Grüne und FDP halten das für kurzsichtig

VON MATTHIAS LOHRE

Vielleicht hilft Autosuggestion ja tatsächlich. Noch vor zwei Wochen malten die Spitzen von SPD und Linkspartei Berlins finanzielle Zukunft in düstersten Farben. Doch im neuen Koalitionsvertrag, der in der Nacht zu Donnerstag festgeklopft wurde, ist davon kaum noch etwas spürbar. Stattdessen verspricht Rot-Rot seinen Wählern die Umsetzung sämtlicher Wahlversprechen.

Dank höherer Steuereinnahmen halten die Koalitionäre bereits im kommenden Jahr einen verfassungsgemäßen Haushalt für möglich. Und das, obwohl die Linkspartei noch zu Wochenbeginn davor zurückschreckte, im Koalitionsvertrag das Ziel eines verfassungsgemäßen Haushalts auch nur für das Jahr 2011 festzuschreiben. Nun scheint alles möglich.

Bereits fürs kommende Jahr verspricht Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) einen Primärüberschuss von 21 Millionen Euro. 2011 sollen die Einnahmen sogar um 1,9 Milliarden Euro über den Ausgaben liegen – die Zinszahlungen von derzeit 2,45 Milliarden Euro nicht eingerechnet. Höhere Einnahmen aus Mehrwert-, Grund- und Grunderwerbsteuer sollen es möglich machen. Die wundersame Geldvermehrung freut die Koalitionäre. Soziale Einschnitte sollen weitgehend ausbleiben (siehe Kästen).

Doch bei ihrer Massenautosuggestion haben SPD und Linkspartei etwas aus den Augen verloren: Der Schuldenberg von derzeit 61 Milliarden Euro wird weiter wachsen. Zwar verweist der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) gern darauf, dass das Schuldenwachstum künftig gebremst werde. Statt bislang befürchteter 70 Milliarden soll Berlin in fünf Jahren nur 65,8 Milliarden Euro Verbindlichkeiten aufgehäuft haben. Parallel steigt die Last der Schuldzinsen. Hinzu kommt: Ab 2010 schmelzen die Solidarpaktmittel Berlins um jährlich rund 160 Millionen Euro, bis der Pakt 2019 ausläuft. All das muss der Senat künftig andernorts einsparen oder an Steuern mehr einnehmen.

Die Oppositionsparteien blicken daher skeptisch auf die Rechnungen des Senats. Der CDU-Haushaltsexperte Uwe Goetze wundert sich, wie Wowereit und Sarrazin leichterhand „die Haushaltsnotlage auf wundersame Weise für beendet erklären“. Die Union fordert daher eine neue Finanzplanung für die kommenden Jahre und einen Nachtragshaushalt für 2007.

Dasselbe fordern die Grünen. Sie werfen Rot-Rot vor, die Sanierung der landeseigenen Unternehmen zu verschleppen. Aus „ideologischen Gründen“ verbaue die Koalition „wieder einmal die Handlungsspielräume, die die Stadt zur Haushaltskonsolidierung braucht“, urteilen die Fraktionsvorsitzenden Franziska Eichstädt-Bohlig und Volker Ratzmann. Die Grünen fordern mehr Investitionen in den Bereichen „Bildung, Wissenschaft, Kultur, ökologische Erneuerung“.

Auch aus FDP-Sicht hat Rot-Rot „bei der Haushaltssanierung kapituliert“. „Statt die Probleme Berlins durch Strukturreformen zu lösen“, kritisiert Fraktionschef Martin Lindner, wälze die Koalition die finanziellen Lasten durch Steuereinnahmen auf Bürger und Unternehmen ab. Der vereinbarten Einführung so genannter Gemeinschaftsschulen setzt die FDP die Forderung nach mehr Eigenständigkeit für bestehende Schulen entgegen.

Derlei Kritik sorgt die Koalitionäre nicht. Am kommenden Montag entscheiden sie zum Abschluss der Verhandlungen über die Zuschnitte der derzeit acht Senatsressorts. Linkspartei-Landesvorsitzender Klaus Lederer setzt erneut auf drei Ressorts für seine Partei.

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