MARTIN UNFRIED über ÖKOSEX
: Meine Mannschaft heißt jetzt Kyocera
Nie mehr VfB Stuttgart: Oder soll ich auf einen Titel hoffen, der dem Renommee des Atomkonzerns EnBW dient?
Bin ich in Deutschland, lese ich nur die wirklich wichtigen Publikationen. Also den kicker und das Solarzeitalter. Und zwar simultan. Im kicker fand ich diese Woche eine Analyse der 0:3-Packung, die Schalke gegen Stuttgart verpasst bekam. Diese Niederlage schmerzt mich. Nicht wegen Schalke, sondern wegen des Triumphs meines ehemaligen Lieblingsvereins, oder genauer wegen seines Sponsors.
Das bestätigt der Blick ins Solarzeitalter. Das ist ein cooles Ökosex-Blatt, mit einem exzellenten Sportteil. Irm Potenagel kritisiert im Editorial, dass die jüngste Klimakonferenz des Stromkonzerns EnBW ein böses Foul war. Dieser Konzern spiele – sinngemäß – beim Klimaschutz Kreisliga, blase sich aber durch eine Fake-Offensive als Champions-League-Team auf. Das sei pures „greenwashing“.
Was hat Klimaschutz und Atomstrom mit der Bundesliga zu tun? Viel. Die Bundesliga wird durch Atom und Kohle gesponsert und der VfB von EnBW.
Ich war einst ein harmloser Fan des VfB Stuttgart. Das begann vor ganz langer Zeit, als Hansi Müller (remember?) noch für Molkereiprodukte kickte. Später schwärmte ich am Fernseher für Dinkelacker. Bier war eindeutig das richtige Produkt, als wir damals vom B-Jugendtrainer behutsam an den Alkohol herangeführt wurden. Danach wechselte der VfB in verschiedene Branchen, was mir wurscht war.
Heute ist das anders. Auf den Shirts der schwäbischen Fußballprofis erschien irgendwann dick und fett „EnBW“.
EnBW vor, noch ein Tor? Es geht hier nicht um politische Korrektheit. Es geht um große Gefühle. Mein Herz macht da nicht mit. Soll ich etwa hoffen und bangen auf einen Titelgewinn, der das Ansehen und Renommee eines Atomkonzerns in unendliche Höhen treibt? Möchte ich wirklich, dass dessen Name hell und leuchtend in der europäischen Champions League strahlt? EnBW Stuttgart gegen Siemens-Real Madrid? Die Antwort heißt: only over my dead body. Also, VfB ade!
Bittere Konsequenz: Ich muss mich während der ARD-Sportschau einem Siebenjährigen erklären. Warum bin ich plötzlich nicht mehr Fan des Vereins, an dem Opa so hängt? „Weißt du, Bub, die Entflechtung der Energiewirtschaft ist überfällig.“ Er nickt. Aber was hat das mit dem VfB zu tun? Ich ergänze mit einem weiteren Zitat aus Solarzeitalter: „Die Medienstrategie der EnBW ist auf das ‚greenwashing‘ der Atomenergie aus! Und der VfB ist Teil dieser Strategie.“
Der Bub macht große Augen. „Und du weißt, dass das Gefasel von ‚Clean Coal‘ dazugehört.“
Sagt er: „Aber Timo Hildebrand ist doch ein toller Spieler!“
„Kleiner Mann“, sage ich, „wir müssen jetzt tapfer sein. Ich weiß, wie du am VfB hängst, doch die Entscheidung für erneuerbare Energien ist eine ethische, sagt Hermann Scheer.“ (Siehe Solarzeitalter, 3/2006, S. 8)
Der Bub wird wütend. „Und der Opa, darf der weiter VfB-Fan bleiben?“ An den hatte ich gar nicht gedacht. „Der Opa ist zu alt für einen Vereinswechsel. Du aber bist jung und flexibel. Komm mit mir zu Kyocera!“
Meine neue Mannschaft heißt nämlich Kyocera Mönchengladbach. Kyocera ist ein Mischkonzern, der aber vor allem auch exzellente Photovoltaikmodule herstellt. Solarmodule und Fallrückzieher! Wem wird da nicht warm ums Herz?
Vielleicht auch den bisherigen BVB-Fans und insbesondere Friedrich Küppersbusch. Dortmund war Eon (Atom und Kohle). Jetzt ist der Hauptsponsor die RAG mit so einem lustigen Ausrufezeichen. Dieses Unternehmen hat immer noch viel Kohle im Portfolio, also Klimakatastrophe bis zum Abwinken. Also, Friedrich: Bei Kyocera im Stadion sind noch Plätze frei.
Die Ökosex Bundesligatabelle der uncoolen Klubs: 1. RWE Leverkusen 2. EnBW Stuttgart 3. RAG Dortmund 4. T-COM/Yello Strom München 5. VW Wolfsburg 6. Fraport Frankfurt 7. Fly Emirates Hamburg
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