Deutschland suhlt sich im Skandal

betr.: „Ganz viele Einzeltäter“, taz vom 30. 10. 06

Ganz Deutschland suhlt sich wohlig im Skandal – denn es waren schließlich die anderen, „wir“, suggerieren die exaltierten Kommentare, würden „so was“ nie tun.

Würden wir nicht? Wie lange gab es denn in den Schulen echte Knochenmänner und -frauen, bevor sie durch Plastikattrappen ersetzt wurden? Und wie viele Kinder und Jugendliche haben mit ihnen gespielt und es lustig gefunden? Brave Bürger rennen in Ausstellungen mit plastinierten Leichen, richtigen Leichen, nicht gebleichten Knochen. Aber es ist ein Skandal, wenn sich ein paar junge Männer mit Knochen aus einer Kiesgrube fotografieren lassen. Dabei haben die Bilder (die oder deren Beschreibungen man im Netz findet) – vielleicht bis auf das Penisfoto – nicht mal etwas Aggressives, der Umgang mit den Knochen wirkt eher spielerisch, manchmal freundlich. Unter „Leichenschändung“ stelle ich mir jedenfalls spontan etwas anderes vor.

Alle, die nicht sicher sind, dass sie nicht mit dem Skelett auf dem Schulspeicher posiert hätten, alle, die schon mal alte Knochen im Museum angestarrt haben, und alle, die nicht für das Verbot von Plastinatausstellungen sind, sollten aufhören, sich den Mund zu zerreißen. Und alle andern am besten auch. SILKE KARCHER, Dessau