Am Schusswaffengebrauch wird festgehalten

GERIATRISCH Kriegsverbrecher mit Demenz, Goldschatz mit Hakenkreuz, jüdischer Held mit Haudegensyndrom: In Daniel Friedmans Debütroman „Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten“ geht es blutig, aber koscher zu

Baruch, genannt „Buck“, Schatz ist ein Haudegen, wie er im Buche steht. Das Schießeisen immer locker an der Hüfte sitzend, hat er in seinem aktiven Leben als Soldat und später Polizist nicht bevorzugt Gefangene gemacht, sondern lieber der Durchschlagskraft der Kugel vertraut. Viele Bösewichte haben durch Bucks Wirken ihr Leben gelassen, und denjenigen, die es lebend in die geschlossene Verhörkammer der Polizeistation von Memphis schafften, ging es kaum besser.

So einer ist Buck. Oder so einer war Buck. Mittlerweile ist er schon so lange im Ruhestand, dass sein erwachsener Enkel ihn nur als Rentner kennt. Doch da geschieht etwas, wodurch das beschauliche Leben des immer gebrechlicher und vergesslicher werdenden 87-Jährigen gründlich aus dem Lot gerät. Ein alter Kriegskamerad, mit dem zusammen Buck im Zweiten Weltkrieg gekämpft und ein deutsches Kriegsgefangenenlager überlebt hat, liegt im Sterben und lässt Buck kurz vor seinem Tod an sein Krankenlager rufen. Dabei eröffnet er ihm nicht nur, dass ein längst totgeglaubter SS-Offizier, der Buck damals fast totgeschlagen hat, unter falschem Namen in den USA lebt, sondern dass er selbst sich durch einen Anteil an einem Goldschatz, der aus dem Besitz getöteter Juden stammt, hat bestechen lassen, das Fortleben des Nazis zu verheimlichen. Bevor Buck, der selbst Jude ist, sich hinreißen lassen kann, den Verräter im Zorn zu erschlagen, erliegt dieser einem längst fälligen Herzversagen und lässt Buck zurück mit dem Wissen um einen überlebenden Massenmörder, um einen versteckten Goldvorrat und in der Gesellschaft etlicher Zeitgenossen, die diesen Schatz ebenfalls gern an sich bringen möchten. Da ist es nur gut, dass Buck, den seine einstige körperliche Kraft schon lange verlassen hat, sich eisern an den Ratschlag hält, den General Eisenhower ihm einst vor der Landung in der Normandie auf den Weg gab: „Wenn Sie sonst nichts mehr haben, an dem Sie sich festhalten können, halten Sie sich an Ihrer Waffe fest.“

Der junge New Yorker Autor Daniel Friedman, Jahrgang 1981, hat mit seinem Debütkrimi einen vielschichtigen Genreroman hingelegt, der mit erlesen sarkastischem Witz unterhält. Mit Buck Schatz entwirft er eine Figur, die zum einen den uramerikanischen Heldenmythos vom harten Kerl mit der Waffe aus geriatrischer Perspektive neu interpretiert (wieder einmal eine potenzielle Paraderolle für den unsterblichen Clint Eastwood). Damit fügt er der immer ansehnlicher werdenden Reihe hochbetagter HeldInnen in der Literatur der westlichen Welt eine interessante Figur hinzu. Was Friedmans Buck besonders macht, ist, dass sich in ihm der ironisierte amerikanische Haudegenmythos mit der literarischen Überwindung des Holocaust-Traumas verbindet.

Baruch (der diesen Vornamen einst nach seinem Schtetl-Großvater erhielt) Schatz ist im Krieg nur um Haaresbreite lebend dem Kriegsgefangenenlager entkommen, in dem er als amerikanischer Jude gesondert gefoltert worden war. Nun aber, im hohen Alter, triumphiert er über den Todfeind von damals. Während sein Nazifolterer komplett dement in einem amerikanischen Pflegeheim dahinvegetiert, ist Buck immerhin noch so gut beieinander, dass er den geklauten Goldschatz an sich bringen kann. Dass er diesen wird opfern müssen, um seinen Enkel zu retten, und dass diverse richtig schlimm zugerichtete Leichen – teilweise koscher geschächtet! – aus nicht immer gänzlich erzähllogischen Gründen den Weg zum Happy End pflastern, darf nicht verschwiegen werden. Wer kein Blut sehen kann, muss manchmal etwas quer lesen. KATHARINA GRANZIN

Daniel Friedman: „Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten“. Aus dem Englischen von Teja Schwaner. Aufbau Verlag, Berlin 2014. 320 Seiten, 17,99 Euro