Der Wochenendkrimi: Die 50-Euro-Umarmung
„Tatort: Liebe am Nachmittag“, So. 20.15 Uhr, ARD
Aus dem Appartement weht „The Look of Love“, und wenn aus der Tür verlegen lächelnd eine reifere Dame tritt, dann wartet im Treppenhaus schon die nächste. Mehmet (Adnan Maral) und Kalle (Ronald Zehrfeld) teilen sich die Behausung, die für ihren Berufsstand als Mechaniker zu teuer erscheint. Man könnte die Autoschrauber Gigolos nennen. Kommissar Freddy Schenk (Dietmar Bär) schimpft sie lieber Stricher; das mag damit zu tun haben, dass er Stress mit seiner immer rätselhafteren Ehefrau hat. Wer weiß schon, was das weibliche Mysterium daheim treibt?
Sehnsucht, Misstrauen und das unheilvolle Streben nach körperlicher Nähe sind die Themen dieses Kölner „Tatort“, der als Aufhänger den Mord am Ehemann einer der zahlungswilligen Damen hatte. Im Zentrum steht die Frage, was man alles tut, um nicht allein zu sein. Dabei tauchen Autor Norbert Ehry und Regisseur Manuel Flurin Hendry („Strähl“) erst mal recht unterhaltsam in die Paradoxien und potenziell kriminellen Implikationen des menschlichen Paarungsverhaltens ab. Interessant etwa die Werkstattbesitzergattin (Jeannette Hain), die als Escortservicemanagerin ihr Hausfrauendasein in Schwung bringt.
Geht es allerdings um die tragischen Verstrickungen im Kuppeleigeschäft, verheddert sich dieser „Tatort“ gelegentlich im Zwang zum Gimmick. So malocht Mehmet nur deshalb im horizontalen Gewerbe, um seiner jungen türkischen Freundin eine sichere Existenz bieten zu können, was wiederum deren sittenstrenger Vater mitbekommt. Dass dies Tochter-Vater-Gespann von Pegah Ferydoni und Adnan Maral aus der Vorabend-Comedy „Türkisch für Anfänger“ gespielt wird, die hier wiederum ihr konservatives respektive liberales Serienfigurprofil ins Gegenteil verkehren, ist zwar ein hübscher Insider-Gag. Der Aufeinanderprall zwischen Werteorientiertheit und dem Wareneinsatz des Körpers wirkt jedoch seltsam konstruiert.
Glaubhafter und grimmiger erscheint da die abgelegte ältere Geliebte des rechtschaffen in den Mittelstand strebenden Unterschichten-Callboys: Die bietet ihm 50 Euro für eine einzige Umarmung. CHRISTIAN BUSS
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen