: Gesetze gegen Tarifdumping sind zulässig
Die Vergabe öffentlicher Aufträge darf davon abhängig gemacht werden, dass das Unternehmen nach Tarif zahlt
FREIBURG taz ■ Die Länder dürfen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge die Bezahlung von Tariflöhnen vorschreiben. Dies hat jetzt das Bundesverfassungsgericht entschieden. Es erklärte damit das Berliner Vergabegesetz für zulässig. Der Berliner Senat und die Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt begrüßten die Entscheidung als „Signal gegen Lohndumping“.
Traditionell darf bei der Vergabe öffentlicher Bauarbeiten nur der Preis, die Fachkunde und die Zuverlässigkeit der Anbieter berücksichtigt werden. Die Gewerkschaften fordern aber schon lange, dass auch die Bezahlung von Tariflöhnen vorgeschrieben werden soll. Als Kompromiss wurde 1999 in das bundesweite Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen eine Klausel eingebaut, die den Ländern erlaubt, „weitergehende Anforderungen“ aufzustellen. Berlin hat davon sofort Gebrauch gemacht. Sieben weitere Länder, darunter Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, folgten.
Das Bundeskartellamt sieht in der Berliner Regelung eine „protektionistische Maßnahme“ zugunsten der örtlichen Bauindustrie. Nicht tarifgebundene Bauunternehmer und Brandenburger Firmen könnten ihren Kostenvorteil nicht mehr nutzen. Das Amt untersagte deshalb die Tarifpflicht im Straßenbau, weil dort das Land eine marktbeherrschende Stellung habe. Dagegen konnte Berlin beim Gebäudebau weiter die Bezahlung von Tariflöhnen verlangen.
Im nachfolgenden Rechtsstreit unterstützte der Bundesgerichtshof (BGH) das Kartellamt und legte das Berliner Gesetz dem Verfassungsgericht zur Prüfung vor.
Karlsruhe begründete sein Urteil mit dem Hinweis, dass sich die Pflicht, Tariflöhne zu bezahlen, nur auf den einzelnen Auftrag, nicht auf die gesamte Tätigkeit beziehe. Dadurch entstehe kein faktischer Zwang, dem Arbeitgeberverband beizutreten. Außerdem rechtfertige der Schutz hoher sozialer Standards Eingriffe in die Berufsfreiheit von Unternehmern.
Damit ist der Rechtsstreit aber noch nicht abgeschlossen. Der BGH, der die Berliner Tariflohnpflicht auch für einen Verstoß gegen Europarecht hält, könnte nun auch noch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) einschalten. Das Oberlandesgericht Celle hat unlängst eine ähnliche Regelung aus Niedersachsen dem EuGH zur Prüfung vorgelegt. CHRISTIAN RATH