: Abgerechnet wird nicht erst zum Schluss
Der Klimabericht der UNO warnt: Seit 2000 steigt der Ausstoß von Kohlendioxid wieder an. Eine Ursache ist der weltweit zunehmende Verkehr
BERLIN taz ■ Das Great Barrier Reef ist das größte Korallenriff der Welt. Es erstreckt sich über 2.600 Kilometer vor der australischen Küste. Forscher haben kürzlich daran schwere Schädigungen des Ökosystems festgestellt, teils verursacht durch Touristen, hauptsächlich aber durch die Erderwärmung. Australiens Tourismusministerin Fran Bailey ist besorgt. Um die jährlich 3,3 Milliarden Euro einbringende Touristenattraktion nicht zu verlieren, will sie nun riesige Stoffbahnen über die Riffs spannen lassen – im Schatten sollen Korallen besser gedeihen als im prallen Sonnenlicht. Das Wort Klimaschutz kam Misses Bailey in diesem Zusammenhang nicht über die Lippen.
Pünktlich zum Klima-Gipfel in Nairobi hat die UN-Klimaschutzbehörde – das in Bonn ansässige Sekretariat der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) – seinen neuen Bericht vorgestellt. Ergebnis: Der Ausstoß des Klimakillers Kohlendioxid stieg zwischen 2000 und 2004 weiter an – um gut ein Prozent jährlich. Wurden 2000 noch 14,5 Milliarden Tonnen Treibhausgase ausgestoßen, so waren es 2004 bereits 14,9 Milliarden. In Mittel- und Osteuropa stiegen die Emissionen um 4,1 Prozent, in den übrigen UNFCCC-Mitgliedsstaaten stiegen sie um elf Prozent binnen vier Jahren. Vom Gesamtausstoß der Industrieländer waren 2004 die USA allein für 39,4 Prozent verantwortlich.
In Deutschland immerhin sanken die Emissionen in diesen vier Jahren – um 0,7 Prozent. Damit liegt die Bundesrepublik nun 17,2 Prozent unter den Emissionen des Jahres 1990. Vom selbstgesteckten Kioto-Ziel – minus 21 Prozent bis 2012 – ist Deutschland damit noch 3,8 Prozent entfernt. Andere Länder sind da weiter: Schweden, Großbritannien oder Frankreich haben ihre Kiotoziele bereits jetzt erfüllt. Trotzdem hinkt die EU ihrem Klimaziel hinterher. Von den 8 Prozent, die eingespart werden sollen, wurde gerade mal ein halbes Prozent erreicht. Besonders Österreich und Spanien sind maßlose Klimasünder.
UNFCCC-Exekutivsekretär Yvo de Boer macht vor allem den Verkehr verantwortlich. „Der Ausstoß im weltweiten Verkehrswesen ist seit 1990 um 23,9 Prozent gestiegen“, sagt der Niederländer. Im Luftverkehr hätten sich die Emissionen sogar verdoppelt. „Wir brauchen dringend drastische Verringerungen“, sagt de Boer. Solange aber zum Beispiel Flugbenzin nicht besteuert, geschweige denn in den Emissionshandel einbezogen wird, so lange wird sich nichts ändern.
Insgesamt lag der Ausstoß der Klimakiller Kohlendioxid, Methan, FCKW-Ersatzstoffe und anderer 2004 in den Industriestaaten um 3,3 Prozent unter dem Wert von 1990. Das ist fast ausschließlich auf die geschwächte Industrie der postsozialistischen Staaten in den 90er-Jahren zurückzuführen: Weil veraltete Industrieanlagen stillgelegt werden mussten, sanken nach UNFCCC-Erhebungen dort die Emissionen bis 2000 um 39,3 Prozent. Auf die Industriestaaten umgerechnet lagen die Emissionen so um 5,6 Prozent unter dem Wert von 1990. Seit sich die Industrien dort nun wieder erholen, steigt der Wert wieder.
Darf er aber nicht. Will die EU ihr Ziel einer Erderwärmung um nicht mehr als zwei Grad erreichen, muss der Ausstoß von Treibhausgasen bis 2050 um die Hälfte gesenkt werden. Im Jahr 2100 sollte er nur noch ein Zehntel des heutigen Niveaus betragen. Denn Klimakiller, die einmal in der Atmosphäre sind, bleiben auch dort. NICK REIMER