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Archiv-Artikel

„Schöner leben ohne Nazis“

Rund 7.000 Menschen gingen am Samstag in Bremen auf die Straße um den NPD-Aufmarsch in Walle zu verhindern. Nach 500 Metern war für die Nazis Schluss: Ihre Strecke war blockiert

Von Christian Jakob und Andreas Speit

Rund 80 Initiativen haben seit Monaten für den vergangenen Samstag mobilisiert, um den ersten Aufmarsch der NPD im zentralen Bremer Stadtgebiet unmöglich zu machen. Zwar konnten die Rechtsextremisten am Ende doch rund einen halben Kilometer durch Walle laufen – politisch aber, so waren sich die Veranstalter einig, waren ihre Gegendemonstrationen ein voller Erfolg.

Rund 7.000 Menschen waren dem Aufruf gefolgt und stellten sich 124 NPD-Anhängern um Landeschef Horst Görmann entgegen. Die Demonstranten durchbrachen die erste Polizeikette und stießen so weit auf die geplante Nazi-Route vor, dass die Rechten nach wenigen Metern umkehren mussten. Die von der Polizei befürchtete Gewalt blieb bei den Gegenaktionen weitgehend aus.

Am Vormittag sammelte sich die Demonstration am Gröpelinger Depot. Unter ihnen viele Anwohner, Familien, Migranten und Gewerkschafter. Türkische Frauen mit Kopftuch hielten „Schöner Leben ohne Nazis“-Plakate hoch, ein Chor sang, Musik wurde gespielt. Viele Lokalpolitiker waren unter ihnen, darunter Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) und Innensenator Thomas Röwekamp (CDU), der noch vor wenigen Monaten behauptet hatte, dass Neonazis im Land Bremen eine „kaum nennenswerte Bedeutung“ hätten.

„Die Stadt muss aufhören, die Neonazis zu verharmlosen“, kritisierte eine Rednerin vom Lautsprecherwagen diese Haltung. „Nicht nur die Nazis, auch der Staat verhält sich rassistisch“, sagte der Sprecher einer Flüchtlingsgruppe und erinnerte an den Asylbewerber-Streik im Ausreiselager Blankenburg.

Als sich der Zug in Bewegung setzte, war das Ziel klar: Möglichst weit Richtung Walle sollte es gehen. Als die erste Polizei-Absperrung durchbrochen wurde, setzte die Polizei Pfefferspray und Schlagstöcke ein, der Demonstrationszug kam schließlich an einer zweiten Absperrung in Höhe Alte Waller Straße zum Stehen. Der Forderung, die Versammlung aufzulösen, folgten die Demonstranten nicht. Die Polizei kaperte einen Lautsprecherwagen, setzte die angekündigte Räumung der Strecke aber nicht durch.

Mit einstündiger Verspätung setzten sich um 15.30 Uhr am Bahnhof Walle die NPD-Anhänger in Bewegung. Wegen der Blockade durch die Demonstranten ging es für sie jedoch nur bis zum Ritter-Raschen-Platz. Nach einer Kundgebung geleitete die Polizei sie zurück.

140 Demonstranten wurden von der Polizei in Kesseln am Rand der NPD-Route festgehalten. Teilweise wurden sie nach einer erkennungsdienstlichen Erfassung freigelassen, teils in Gewahrsam genommen. Insgesamt kam es zu sieben Festnahmen. 200 Demonstranten wurden vorübergehend in „Unterbindungsgewahrsam“ genommen. Unter den 2.300 eingesetzten Polizisten wurden fünf Beamte leicht verletzt. Auf Seiten der Demonstranten kam es mehrfach zu Verletzungen bei Festnahmen sowie durch Hundebisse, Schlagstock- und Pfeffersprayeinsatz.

Statt der von NPD-Landeschef Horst Görmann angekündigten 200 Rechten erschienen nur 124 Unterstützer. In den vergangenen Wochen hatten mehrere Freie Kameradschaften (FK) als auch NPD-Gruppen erklärt, den Aufmarsch wegen Kritik an der Anmelderin zu boykottieren (vgl. taz vom 4.11.). Auch Hooligans aus Bremen, die sonst gern zur NPD kommen, erschienen kaum. Sie wurden womöglich an anderer Stelle aktiv: Im Verlauf des Samstags kam es nach Augenzeugenberichten an verschiedenen Stellen zu Gewalttaten durch Hooligans aus dem Neonazi-Spektrum. In Walle wurden demnach in zwei Fällen NPD-Gegner auf dem Weg zur Straßenbahn angegriffen, im Steintor sei es ebenfalls zu Übergriffen durch Anhänger der rechten Szene gekommen.

Auch in Walle blieben die Rechten nicht friedlich. Kaum angekommen, grölten einige „Sieg Heil“. Die Polizei schritt ein. Nur mit Mühe konnten die Kader manche Aktivisten beruhigen, als die Pressefotografen angreifen wollten.