: Atmende Feuerberge
SÜDITALIEN Eine Reise in eine bizarre Landschaft zu den Vulkanen Vesuv, Ätna, Stromboli und Gran Cratere
■ Vesuv: am Golf von Neapel. Kostenpflichtiger Eintritt von 9 bis 17 Uhr (bei schlechtem Wetter bleibt der Berg geschlossen). Mit Bussen kommt man fast ganz hinauf, die letzten etwa 700 Meter führt ein breiter, gut begehbarer Serpentinenweg zum Kraterrand (auch für Nichtwanderer).
■ Tipp: Neben dem bekannteren Pompeji lohnt sich auch ein Besuch in Herculaneum. Anders als im völlig zerstörten Pompeji sind hier noch Gebäude, Straßen usw. erhalten geblieben.
■ Ätna: Eine Seilbahn führt mehr als die halbe Strecke hinauf zum Gipfel. Die letzte Strecke ist für gut ausgerüstete Wanderer zu laufen (unbedingt feste Wanderschuhe). Wer nicht wandern möchte, kann den Gipfeljeep nehmen (Jeepbusse fahren regelmäßig).
■ Stromboli und Vulcano: Die Äolischen oder Liparischen Inseln liegen nördlich von Sizilien im Tyrrhenischen Meer. Das Archipel besteht aus sieben bewohnten Inseln. Alle diese Inseln sind vulkanischen Ursprungs, Stromboli und Vulcano sind heute noch vulkanisch aktiv.
■ Anreise: Flug oder Zug nach Neapel, dann Fähre nach Lipari (über Stromboli). Flug nach Catania oder Palermo, dann mit der Bahn nach Messina oder Milazzo. Mit der Fähre weiter zur größten Insel Lipari. Bootsfahrt weiter nach Stromboli. Die Bootsverbindungen zwischen den Inseln sind sehr gut. Information: www.siabella.de
■ Buchtipps: Dieter Richter „Der Vesuv. Geschichte eines Berges“. Wagenbach Verlag Jules Verne: „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ Michael Müller: „Liparische Inseln“ und „Golf von Neapel“. Reiseführer
VON BARBARA WIEDEMANN
Wenn du das Loch mit der Schubkarre rausfahren willst, brauchst du wahrscheinlich 10.000 Jahre. Und das macht einmal puff, und dann ist es draußen.“ Vater und Sohn stehen am Kraterrand des Vesuv und schauen gebannt in den mächtigen Schlund. Die beiden Vulkanfreunde sind Teilnehmer einer Exkursion zu den Feuerbergen Süditaliens. Sohn Paul möchte gern „bis zum Mittelpunkt der Erde“ sehen, aber der Blick verliert sich in der unergründlichen Tiefe des Kraters.
Der Vesuv am Golf von Neapel ist der erste Vulkan unserer Reise. Still liegt der Krater vor den vielen tausend Besuchern, die täglich hier heraufkommen. Manchmal poltert ein Stein in die unauslotbare Tiefe, grollt in dem gewaltigen Schallbecken nach. Am inneren Kraterrand steigen weiße Rauchfahnen auf. Hier kommen Gedanken an Ursprung, Anfang und Ende. Dieser Vulkan lockt nicht mit glühender Lava oder Feuersäulen, seine Faszination liegt in der möglichen Gefahr – und seiner Geschichte.
„Die Oberfläche des Vulkans barst kurz nach 12 Uhr mittags, VON der Himmel war dunkel und von wirbelnden Geschossen erfüllt, um mich herum wütete Lärm, das Tosen der See, der Gesteinshagel …“ So beschrieb der Naturforscher Plinius den Ausbruch des Vesuv im Jahre 79 nach Christus. Eine gewaltige Naturkatastrophe. Der Vesuv begrub die Stadt Pompeji unter einer Schicht von Asche, Lava und anderem eruptivem Gestein. Fast niemand konnte sich retten. Ein großer Teil der Einwohner, heute auf ungefähr zwanzigtausend Seelen geschätzt, erstickte auf den Straßen, in den Häusern oder Kellern. „Auch wenn sich die Naturgewalt im Moment zurückhält, der Vesuv ist eine erkaltete, aber keinesfalls erloschene Schönheit. Er gehört zu den explosivsten und gefährlichsten Vulkanen der Welt“, erklärt Geologe und Vulkanexperte Florian Becker, der zusammen mit der Wanderführerin Sybille Janssen die Exkursion durchführt. Eine ständige Bedrohung: Am Golf von Neapel leben immerhin 3,5 Millionen Menschen, im direkten Umkreis des Vesuv zirka 600.000.
Der nächste Feuerberg dieser Reise ist eher das Gegenteil: Er explodiert nicht, lässt aber seit Urzeiten Lavaströme fließen – der Ätna auf Sizilien. In Catania wird die Vulkangruppe von Salvo abgeholt, der sie nach Nicolosi bringt, seinem Heimatort, der direkt unter dem Ätna liegt. „Ich möchte an keinem anderen Ort leben“, erklärt er mit der Leidenschaft eines Sizilianers und zeigt auf die weiße Rauchfahne – den Atem des Vulkans. „Der Ätna überrascht nicht mit Explosionen. Er nimmt dir das Haus weg, er nimmt dir den Garten weg, aber er nimmt dir nie das Leben weg“, so der Pragmatismus eines Vulkanbewohners. Im Gegenteil. Der Vulkan schenkt Steine für Häuser und Straßen, fruchtbares Land und nicht zuletzt Geld durch die vielen Touristen, die hierherkommen.
Schwarze Steinwüste
Seit 100.000 Jahren ist dieser Feuerberg daueraktiv. Ein riesiges Lavastromfeld liegt in unmittelbarer Nähe von Nicolosi. Ein Gebiet, durch das immer wieder Lava geflossen ist und so zu einer schwarzen Steinwüste wurde. Kleine Kräuter kämpfen sich tapfer durch die Steine, und auf den älteren Lavafeldern haben es Ginsterbüsche wieder zu einiger Größe gebracht. Bis auf dem Lavastrom, den die Vulkanfreunde nun erwandern, wieder etwas wächst, wird es lange dauern. Ein riesiger Steinhaufen türmt sich vor ihnen auf und versperrt den weiteren Weg. Die Lava, die bei dem Ausbruch 2001 Richtung Nicolosi geflossen ist, kam hier zum Stillstand.
Am nächsten Morgen bricht unsere Exkursionsgruppe zum „Vulkangipfelsturm“ auf. Die erste Strecke wird mithilfe der Seilbahn bewältigt. Hoch schaukelt sie über riesige Krater, aufgetürmte Aschekegel und erloschene Lavaströme. Oben weht ein eisiger Wind. Giftig gelbe Schwefelstreifen ziehen sich über einen schmalen Grat. Weiße Rauchsäulen qualmen aus den Fumerolen. Eine Schutzhütte ist bis zum Dach in schwarzer Lava verschwunden.
Wir sind auf 2.900 Meter angekommen, einige wollen die 400 Meter bis zum Gipfel noch erklimmen. Vulkanexperte Becker lehnt ab: „Wenn man ganz hinauf will, gibt es nur einen Krater, an dem das geht, die Bocca Nuova. Der ist aber sehr instabil, da können die Wände einbrechen. Also, auf nach unten!“ Ein symmetrischer anthrazitgrauer Aschekegel lädt zum Besteigen ein. Ein Bilderbuchkegel, freut sich der Geologe. Seine 80 Meter sind beim Ausbruch 2001 innerhalb von zehn Tagen entstanden. Hier versinken die Füße tief in Asche – ein Marsch wie durch Schnee – nur durch schwarzen.
Nach der erkalteten Schönheit des Vesuv und der gigantischen des Ätnas wird es nun Zeit für ein richtiges Vulkanfeuerwerk. Und wo wenn nicht auf der Insel Stromboli könnte man dieses besser erleben. Schon die Überfahrt ist ein Erlebnis: Die riesige Rauchfahne des Vulkans ist von Weitem sichtbar, einige weiße Häuser leuchten unter dem dunklen Kegelberg, schwarzer Lavasandstrand, und das Meer hat eine Farbe wie dunkelblaue Tinte. Der Stromboli ist einer der aktivsten Vulkane der Welt. „In der Regel spuckt er seine Feuersäulen alle fünf bis zwanzig Minuten meterweit in den Himmel“, erklärt Vulkanexperte Becker. „Ein gutes Zeichen. Schlimm wird es, wenn der Vulkan lange nichts macht, dann sammelt er seine Kraft, und danach kann eventuell eine große Eruption folgen.“ Dann lieber gleich am nächsten Tag hoch, solange der Schlot noch raucht.
Der steile Weg nach oben versetzt Wanderführerin Janssen in Begeisterung: „Dort seht ihr Kalabrien, dort die sizilianische Küste, da den Leuchtturm der Insel Salina.“ Wer nicht mit Schnaufen und sich selbst beschäftigt ist, versteht sie. Als die Nacht schwarz genug ist, gehen die Vulkanfreunde ganz nach oben an den Rand des alten Kraters. Zirka 200 Meter unter ihnen liegt eine bizarre Kraterlandschaft. Plötzlich geht es los. Mit einem Höllenlärm, der tief aus der Erde zu kommen scheint, sprüht eine riesige Feuersäule weit in den dunklen Nachthimmel. Rote Glut legt sich um den Kraterrand, glühende Steine rollen die tiefschwarze Sciara del Fuoco – die Feuerrutsche – hinunter und versinken im Meer. Weitere Eruptionen folgen, breite Feuersäulen, die wild umhersprühen, schmale, die hoch in den Himmel zischen.
Giftig gelb und stinkend
Ein phänomenales Naturereignis, das die Zuschauer in den Bann zieht. Der Abstieg bei Nacht unter dem funkelnden Sternenhimmel mit unzähligen Sternschnuppen kommt uns nun wie ein Konkurrenzfeuerwerk des Universums vor.
Der letzte Feuerberg unserer Reise ist der Gran Cratere Vom Fegefeuer des Stromboli geht es nun in den Gestank der Hölle. „Man kann die Wände des Abgrunds hinabsteigen und bis zum Rand dieser wütenden Münder des Vulkans gehen, um mich herum ist alles gelb. Von einem blendenden, betörenden Gelb.“ Den Text Guy de Maupassants über die Insel Vulcano liest Florian Becker vor dem Aufstieg zum Gran Cratere. Giftig gelb und höllisch stinkend. Muss man da wirklich hinauf?
Man muss. Der giftige Schwefelgestank nimmt zu. Oben hilft nur noch ein nasser Lappen um Mund und Nase. „Dies ist die haarigste Stelle unserer Exkursion, die Gruppe bleibt zusammen“, warnt der Experte und verschwindet mit den Vulkanfreunden in den Nebelschwaden, um einen Blick in die gelben Rauchsäulen zu riskieren: „Man sieht in diesen sogenannten Fumarolen kleine honigfarbene Tröpfchen, das ist flüssiger Schwefel“, erklärt Becker. Einer der Vulkanfreunde kommt hustend aus dem Nebel; statt einer ehemals grünen Wanderhose hat er nun eine rosarote an – Schwefeldämpfe können nicht nur übel riechen.