: Ska bei Pommes
Die Bochumer Band Alpha Boy School hat ein entspanntes viertes Album vorgelegt und geht auf Tour durch NRW
Der Frontmann mal wieder. Alle reden ständig über ihn. Oder über sie, die Frontfrau. Während sich hinten etwa der Schlagzeuger einen Wolf trommelt, solide Arbeit leistet, den Takt vorgibt. In Interviews ist er nur schweigende Dekoration. Wer redet hauptsächlich? Klar: Der Frontmann oder die Frontfrau. Was sich, mit Ausnahmen, im Pop etabliert hat. Der Frontmann steht an der Rampe, singt, oft schreibt er auch die Texte oder komponiert. Und er gibt der Band ein Gesicht. Im besten Fall: ein unverwechselbares. Wie bei dieser Band hier.
Ihr Name: Alpha Boy School. Herkunft: Bochum, Ruhrgebiet. Also nicht gerade ein Ort, an dem Ska und Reggae daheim sind, aber diese Band hat sich eben jenen Genres verschrieben. Frontmann ist Karsten Riedel, eine echte Marke, stadtbekannt: großzügig tätowiert, Schwarzhaartolle, immer einen Kamm in der Gesäßtasche. Aber das sind Äußerlichkeiten. Innen ist Riedel ein formidabler Musiker, was ihn inzwischen gar ans großbürgerliche Stadttheater gebracht hat. Als Matthias Hartmann Intendant am Bochumer Schauspielhaus war, engagierte er Riedel und ließ ihn machen. Ein ziemlich kluger Schachzug.
Auch bei Alpha Boy School macht Riedel sein eigenes Ding. Das jetzt erschienene vierte Album „One in a Million“ hat er zum ersten Mal nicht nur komponiert, sondern auch produziert und gemischt – und dabei aus seinem Erfahrungsschatz geschöpft: Seit den Neunzigerjahren hat Riedel mit den Größen der Reggae-Szene zusammengearbeitet, mit Dr. Ring Ding, Gentleman, mit Heaven Bound. Das hört man dem entspannten Werk an, insbesondere der gelungenen Coverversion von Billy Braggs Klassiker „New England“. Dennoch: Riedel wäre bei Alpha Boy School nichts ohne seine Kollegen im Rücken, sieben an der Zahl, allesamt solide Musiker in den Dreißigern, teilweise mit fundierter Ausbildung.
Ein gutes Album also, okay. Aber Ska ist eigentlich nichts für Zuhause. Ska muss draußen gehört werden, gelebt, im Kollektiv, mit Freiraum zum Tanzen. Wie bei jenen bereits legendär zu nennenden Alpha-Boy-School-Konzerten in einer Bochumer Pommesbude. Oder im Juli, in einer Bochumer Kneipe. Rappelvoll war es. Heiß. Zuschauer ließen sich, wenn sie nicht gerade tanzten, auf Händen durch die geöffnete Front tragen, bis weit hinaus. Das ist die eigentliche Stärke der Band. Live sind sie unschlagbar. In Deutschland, vor allem im Ruhrgebiet, ist das hinreichend bekannt. Und im kommenden Frühjahr wird das auch ein anderer Kulturkreis zu spüren bekommen: Dann sind Alpha Boy School in Japan unterwegs, auf Einladung des Tokyo Ska Paradise Orchestra.
BORIS R. ROSENKRANZ
Alpha Boy School „One in a Million“, Moonstomp Records Live in NRW: 14.12. Bonn, 17.12. Krefeld, 23.12. Münster, 29.12. Bielefeld, 30.12. Köln