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Archiv-Artikel

Der Kandidat wird eingenordet

Nach Mathias Petersens Rückzug beim „Kinderschänder-Outing“ werden in der Hamburger SPD die Reihen wieder geschlossen. Petersen gelobt Besserung und will zukünftig auch mal im Team spielen

VON MARCO CARINI

Am Ende blieb ihm nur der Rückzug. Sein Vorschlag, die Namen und Adressen von Sexualstraftätern im Internet zu veröffentlichen, sei „rechtsstaatlich nicht durchsetzbar und deshalb vom Tisch“, bekannte der designierte SPD-Bürgermeisterkandidat Mathias Petersen am späten Montagabend, direkt nach der Sitzung des Landesvorstands seiner Partei. Damit beendete er vorläufig ein Kapitel sozialdemokratischer Selbstbespiegelung – wie auch der eigenen Selbstdemontage –, das ihn an den Rand des Absturzes brachte. Durch die Kehrtwende gelang es dem 51-Jährigen gerade noch mal, mit einem blauen Auge davonzukommen.

Zuvor hatte Petersen die harsche Kritik der Genossen über sich ergehen lassen dürfen, die dem Parteivorsitzenden mehr als deutlich machten, dass es „so überhaupt nicht geht“. Dass Petersen sich ausgerechnet in der Bild dieses sensiblen Themas angenommen, zuvor keinerlei Rücksprache mit den Fachleuten in seiner Partei gesucht und den Vorschlag schließlich sogar nach innerparteilicher Kritik noch via Hamburger Abendblatt nachmunitioniert hatte, bekam der zerknirschte SPD-Frontmann da noch einmal ausgiebig aufs Brot geschmiert. In den Stunden vor der Vorstandssitzung hatten seine engsten Vertrauten den Parteichef noch mal zur Seite genommen und ihm klar gemacht: „Mathias, das musst du zurückziehen!“

„Ich habe, bevor ich den Vorschlag gemacht habe, mit niemandem darüber gesprochen“, räumte Petersen nach der Vorstands-Sitzung ein und verwies damit auf sein größtes Defizit: seine nicht eben ausgeprägte Teamfähigkeit. Immer wieder übte sich Petersen zuletzt in überraschenden Alleingängen, selten nur schien er die Dimension seiner Vorstöße zu überblicken – und jedes Mal fiel er mit seinen Vorpresch-Aktionen auf die Nase.

So nehmen ihm viele Genossen noch immer die unvermittelte Entlassung des altgedienten SPD-Geschäftsführers Thies Rabe übel, waren irritiert über seine Ausführungen zum Thema Nordstaat und leiden bis heute unter seiner Festlegung, er werde dem Bau der Elbphilharmonie nur zustimmen, wenn kein einziger Steuereuro in das Prestigeprojekt fließe. Kommt es hier in der Bürgerschaft zum Schwur, steht die SPD-Fraktion vor der Alternative, entweder ihren Spitzenkandidaten erneut zu demontieren oder aber öffentlich als Blockierer eines Projektes dazustehen, dass die Mehrheit der Hamburger befürwortet. Intern haben sich die Sozialdemokraten darauf geeinigt, diesen Konflikt zu vertagen, bis die notwendige Senatsdrucksache genau verrät, wie viele Haushaltsmittel genau aufgebracht werden müssen, um das Konzerthaus zu realisieren.

Nach all diesen „Irritationen“ reichte es den Vorstands-Genossen am Montagabend nicht, dass Petersen dem von ihm geplanten Outing von Sexualstraftätern eine Beerdigung erster Klasse bescherte. Allen Alleingängen musste er für die Zukunft abschwören. „Ich habe dazugelernt“, zeigte der Gescholtene sich einsichtig und versprach, sich „in Zukunft besser abzustimmen“. Im Gegenzug bescherte ihm der Vorstand eine parteiinterne Arbeitsgruppe, die Maßnahmen zum Schutz von Kindern vor sexuellen Übergriffen erarbeiten soll. Die Botschaft des Beschlusses ist klar: Petersen habe sich durchaus das richtige Thema gesucht, er habe es nur falsch angefasst.

Die Zeichen stehen auf Schadensbegrenzung. So fabulierte der SPD-Vizeparteivorsitzende Karl Schwinke nach der mehr als zweistündigen Diskussion, neben dem Landesvorstand sei auch Petersen „Gewinner“ der vorangegangenen Debatte. Eine Erkenntnis, die in der Partei wohl nicht jeder teilen dürfte. Immerhin: Der Gesichtsverlust des designierten Spitzenkandidaten Mathias Petersen mag durch dessen späte Kehrtwende in Grenzen gehalten worden sein – ganz wegzudiskutieren ist er nicht.